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Lechts und rinks der Brandmauer
Mehr Krieg und Verbote ist das neue »linksliberal«
Beim österreichischen Lyriker Ernst Jandl hieß es einst: »manche meinen / lechts und rinks / kann man nicht / velwechsern / werch ein Illtum!«
An diese Worte habe ich mich diese Woche in der politischen Debatte erinnert gefühlt. Linksliberale, die eben noch zu Brandmauer-Demonstrationen mobilisierten, kritisieren Donald Trump dafür, dass er dem Gemetzel in der Ostukraine den Munitionshahn zudrehen möchte. Dass der rechtsextreme US-Präsident stattdessen neue, für ihn viel bessere Kriege führen möchte, habe ich natürlich begriffen. Aber wie man auf den Gedanken kommen kann, der Faschismus lasse sich stoppen, indem man Militärs und Rüstungskonzerne stärkt, leuchtet mir trotzdem nicht ein. Sollte man in Anlehnung an Ernst Jandl solche linksliberalen Superstrategen nicht besser als »Rinksribelare« bezeichnen?
Damit sie nicht denken, ich wollte hier durchsichtig Wahlkampf gegen die Grünen machen, sollte ich vielleicht hinzufügen, dass ich das »lechts-rinks«-Problem auch im eigenen, mir politisch näher stehenden Bekanntenkreis beobachte. Anderes Beispiel diese Woche: die Absage der Diskussionsveranstaltung mit der UN-Sonderberichterstatterin Francesca Albanese und dem israelischen Architekten Eyal Weizman an der FU Berlin. Weil die beiden im Unterschied zu deutschen Oberschlaumeiern schon seit längerer Zeit beobachten, dass die Besatzung in Palästina den Menschen entlang rassistischer Kriterien völlig unterschiedliche Rechte zugesteht (eine Praxis, für die südafrikanische Herrschaftstechniker einst das Wort »Apartheid« [Getrenntheit] erfanden), sollen sie bei uns ab jetzt gar nicht mehr reden.
Dass der Berliner Senat mit tatkräftiger Unterstützung von Springer-Presse und Tagesspiegel die Absage durchsetzte und die Medien die einladenden Professor*innen mit Dreck bewarfen, war nicht weiter verwunderlich: Wir leben in Zeiten der Staatsräson. Lustig allerdings – oder sollte ich rustig schreiben? – war der Umstand, dass Menschen, die sich für Rinke halten, an der Seite von Springer & co ins Getümmel warfen und das neuerliche Diskussionsverbot verteidigten.
Vielleicht, so frage ich mich manchmal, ist ja die Idee der Brandmauer selbst das Problem. Wer glaubt, man stehe mit Rheinmetall, Außenministerium und Bundesverfassungsgericht auf einer Seite der Mauer, braucht gar keine AfD, um bis in die Polizeirepublik durchzumarschieren. Ich auf jeden Fall hege so meine Zweifel, ob wir vom »Rinksribelarismus« auf lange Sicht Besseres zu erwarten haben als von Friedrich Merz und seiner AfD. Zumindest in Fragen Militarisierung, imperialistischer Vernunft und Verbotspolitik stehen die Genannten doch recht beieinander – auf der anderen Seite der Brandmauer. Aber was weiß ich schon?
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