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Pariser Klimabeutel noch fast leer
Laut Klimaschutzabkommen sollen die Staaten alle fünf Jahre neue Pläne vorlegen
Der internationale Klimaschutz läuft zäh. Und das liegt am »Klingelbeutel-Prinzip«, nach dem der Pariser Klimavertrag konzipiert ist. Er legt zwar eine maximale Erderwärmung im Korridor von 1,5 bis zwei Grad Celsius fest, was beim globalen Treibhausgas-Ausstoß ungefähr eine Halbierung bis 2030 und eine Netto-Null ab der zweiten Hälfte des Jahrhunderts erfordert.
Doch wie viel CO2-Minderung die einzelnen Vertragsstaaten hierzu leisten müssen, steht nicht in dem Abkommen. Diese Beiträge sind freiwillig. Und die aktuelle Bilanz zeigt: Bisher kommt im Paris-Klingelbeutel viel zu wenig zusammen. Im zehnten Jahr seines Bestehens gerät das Abkommen zunehmend in die Krise.
Die Regierungen der 195 Vertrags-Staaten haben sich im Paris-Abkommen verpflichtet, ihre nationalen Klimaziele, die sogenannten NDCs, in einem Fünfjahres-Zyklus anzupassen, um die Erwärmung entsprechend den Vorgaben zu begrenzen. Bisher nämlich reichen die CO2-Einsparpläne bei weitem nicht aus, um bei zwei Grad zu landen, geschweige denn bei 1,5 Grad.
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Nach den Kalkulationen des UN-Umweltprogramms Unep in Nairobi steuert die Erde derzeit auf ein Plus von 2,6 bis 3,1 Grad gegenüber vorindustrieller Zeit zu, wenn die Regierungen nur die derzeit gültigen NDCs erfüllen und nicht nachschärfen. Damit drohen wichtige Kippelemente des Weltklimas irreversibel ausgelöst zu werden.
Letzte Woche sorgte für weitere Ernüchterung. Nur 13 der 195 Staaten haben zum Ablauf der offiziellen Frist am 10. Februar neue nationale CO2-Pläne eingereicht. Die allermeisten Länder, darunter die Emissions-Schwergewichte China, Indien und EU, haben sie einfach verstreichen lassen.
Von den 13 Ländern kommen nur drei aus der G20-Gruppe der Industrie- und Schwellenländer, nämlich die USA, Großbritannien und Brasilien. Die anderen Staaten sind Andorra, Ecuador, die Marshallinseln, Neuseeland, die Schweiz, Simbabwe, Singapur, St. Lucia, Uruguay und die Vereinigten Arabischen Emirate.
Doch selbst die Pläne dieser »Musterschüler« sind mit Vorsicht zu genießen. Die USA legten ihren CO2-Plan noch kurz vor der Amtseinführung des neuen Präsidenten Donald Trump vor, der inzwischen den Austritt seines Landes aus dem Paris-Vertrag eingeleitet hat – die NDC der USA sind damit praktisch wertlos.
Zudem ergab eine Analyse der Klimaforschungsgruppe Climate Action Tracker bei fünf der zwölf Staaten, dass nur der neue Plan von Großbritannien zu einem 1,5-Grad-Pfad passt. Die Ziele Brasiliens, der Schweiz, der USA und der Emirate seien damit »nicht kompatibel«. Unter anderem Neuseelands Plan hat die Gruppe noch nicht analysiert, aber eine Klimaexpertin des Landes, Christina Hood, bezeichnete ihn als »schockierend wenig ehrgeizig.«
Die Gründe, warum viele der »Big Player« ihre Pläne noch nicht eingereicht haben, sind unterschiedlich – ökonomischer Druck, politische Unsicherheit wegen anstehender Wahlen, technische Probleme. China als größter Emittent mit allein rund einem Drittel des CO2-Ausstoßes hat bisher nicht bekanntgegeben, wann es seinen Klimaplan veröffentlichen wird.
Indien, nach den USA die globale Nummer drei, könnte dies »in der zweiten Hälfte dieses Jahres« tun, wie zuständige Regierungsfachleute dem Blatt »Indian Express« sagten. Sie fügten hinzu, ehrgeizige Verbesserungen an Indiens NDC seien unwahrscheinlich – und zwar aus Enttäuschung über den schwachen Beschluss zur internationalen Klimafinanzierung auf dem letztjährigen UN-Klimagipfel in Baku.
In EU-Kreisen wiederum hieß es laut Medienberichten, der langwierige Prozess in der Europäischen Union zur Verabschiedung neuer Gesetze mache es »im Grunde unmöglich«, die Frist einzuhalten. Aus Russland, Nummer vier im CO2-Ranking und großer Exporteur fossiler Energien, gibt es keine Nachricht über einen Zeitplan. Die letzte wichtige Nachricht zum Thema Klimaschutz kam aus Moskau 2021, also der Zeit vor dem Überfall auf die Ukraine. Damals hieß es, man peile Netto-Null-Emissionen für 2060 an. Dasselbe Datum hat auch China genannt, Indien will 2070 so weit sein.
Im Fall von Australien, einem traditionellen Kohleland mit Energiewende-Agenda, wird erwartet, dass die Regierung die Veröffentlichung ihres neuen Plans bis nach den Parlamentswahlen im Mai verschiebt. Entscheidend ist hier, ob die in Klimafragen progressive Labor-Regierung bestätigt wird – derzeit fraglich. Kanada wiederum hat einen NDC-Entwurf veröffentlicht, der weniger ehrgeizig ist als die Vorgabe, die seine offiziellen Klimaberater gemacht hatten.
Viele Klima-Fachleute hoffen natürlich, dass rechtzeitig vor dem nächsten UN-Klimagipfel im November in Brasilien doch noch ambitionierte CO2-Pläne beim UN-Klimasekretariat in Bonn eintreffen – der Ankündigung einer Ländergruppe folgend, die sich auf der Baku-Konferenz verpflichtete, 1,5‑Grad-konforme NDCs zu veröffentlichen. Zu dieser Gruppe gehören etwa die EU, Chile, Mexiko und Norwegen.
Der Chef des Klimasekretariats, Simon Stiell, machte dazu in Goodwill. Er sagte jüngst in einer Rede in Brasilien, »die überwiegende Mehrheit der Länder« habe angedeutet, in diesem Jahr neue Pläne vorzulegen, und er glaube, dass »die Länder dies äußerst ernst nehmen«. Und praktisch verlängerte Stiell die Abgabefrist bis September. Dann müssten die NDCs vorliegen, damit sein Sekretariat sie noch vor der Konferenz in Brasilien gesammelt auf ihre Klimaschutz-Wirkung bewerten könne.
Auch Umwelt- und Entwicklungsorganisationen schwenkten angesichts der Verunsicherung, die die erneute Wahl des Klimawandel-Leugners Trump zum US-Präsidenten ausgelöst hat, auf diese Linie ein, statt die Regierungen für ihre Missachtung der Frist zu kritisieren. So erklärten die deutschen Organisationen Germanwatch und Misereor: »Lieber ambitionierte Klimaziele ein paar Monate später als pünktliche, die aber weniger konsequent sind.« Die beiden NGOs appellierten an die EU, spätestens im September Handlungspläne vorzulegen, »die der Problemlage ohne Einschränkung gerecht werden«. Dies könne auch andere Staaten dazu bewegen, deutlich verbesserte Ziele aufzustellen.
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