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USAID und Myanmar: Keine andere Wahl
Nach dem Aus für USAID: Myanmars Exilmedien in existenziellen Nöten
Wie ein Berserker legt der neue US-Präsident Donald Trump Ministerien, Institutionen und Behörden lahm. Eines der ersten Opfer des Trumpschen Furors war USAID. Die Entwicklungshilfebehörde der Vereinigten Staaten finanzierte direkt oder indirekt über Partnerorganisationen in den ärmeren Teilen der Welt unter anderem humanitäre Hilfe, Gesundheitsdienste, Menschenrechtsprojekte und Medien. Zum Beispiel Exilmedien aus Myanmar. Der über Nacht verkündete Stopp der Finanzhilfen von USAID ist für viele dieser Medien existenzbedrohend.
Hart betroffen ist zum Beispiel das Nachrichtenportal »Mizzima«. »Der Stopp von USAID betrifft 20 bis 25 Prozent unseres Jahresbudgets für 2025«, sagt Soe Myint, Chefredakteur von »Mizzima« dem »nd«. Erschwerend komme hinzu, dass die übrigen anderen Geberorganisationen und -länder ihren finanziellen Beitrag zu unserem Jahresbudget 2025 noch nicht entschieden hätten. Mizzima, so Soe Myint, erreiche über seine Websites und andere digitale Medienplattformen wie Facebook und Youtube täglich 30 Millionen Leser und Zuschauer. Ähnlich düster sieht es bei dem Sender DVB aus. Der Finanzierungsstopp betreffe nicht nur die Mitarbeiter, »sondern auch die Programme«, sagt Chefredakteurin Mon Mon Myat.
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Seit dem Putsch vom 1. Februar 2021 ist Myanmar für Journalisten wieder zu einem der gefährlichsten Länder der Welt geworden. Medien wie »Mizzima«, DVB, »Frontier Myanmar« oder »Irrawaddy«, die erst nach der Öffnung des Landes nach 2012 aus dem Exil nach Myanmar zurückgehrt waren, mussten schleunigst wieder ihre Sachen packen und das Land verlassen. Der Stopp von USAID gefährdet die Bedeutung der Exilmedien als wichtige Informationsquelle für die myanmarische Diaspora, die Menschen in Myanmar und die internationale Gemeinschaft.
2023 hatte USAID weltweit die Ausbildung und Unterstützung von 6200 Journalisten finanziert, 707 nichtstaatliche Nachrichtenagenturen unterstützt und 279 zivilgesellschaftliche Organisationen gefördert, die sich der Stärkung unabhängiger Medien in mehr als 30 Ländern – vom Iran bis nach Russland und Myanmar – verschrieben hatten. Das ging laut Reporter ohne Grenzen (RSF) aus Daten von USAID hervor, bevor deren Internetauftritt abgeschaltet wurde.
Seit dem Putsch hat Myanmars Militärjunta laut Amnesty International mehr als 6000 Menschen getötet, mehr als 20 000 willkürlich festgenommen und 3,5 Millionen Menschen ins eigene Land vertrieben. Das Militär führt landesweit großflächige und systematische Angriffe auf die Zivilbevölkerung und lässt Schulen, Krankenhäuser und religiöse Gebäude bombardieren.
Danny Fenster weiß aus eigener Erfahrung, wie gefährlich die Arbeit von Journalisten in Myanmar ist. »Sie können jederzeit verhaftet oder getötet werden.« Der Redakteur des Magazins »Frontier Myanmar« wurde kurz nach dem Putsch 2021 in Yangon verhaftet, verbrachte acht Monate unter menschenunwürdigen Bedingungen im berüchtigten Insein-Gefängnis in Yangon. Wenige Tage nach seiner Verurteilung zu elf Jahren Haft wegen Volksverhetzung im November 2021 kam der 40-Jährige dann durch die Intervention des ehemaligen UN-Botschafters Bill Richardson frei. »Frontier Myanmar« arbeite auch im Exil in Chiang Mai und ist vom Finanzierungsstopp von USAID nicht betroffen, wie Chefredakteur Ben Dunant dem »nd« mitteilte.
Trotz der Gefahr für Leib und Leben gehen immer wieder Journalisten über die grüne Grenze nach Myanmar und berichten über den Bürgerkrieg, die Gräueltaten der Junta, die Bombardierung von Dörfern, die vielen Zehntausend Binnenflüchtlinge. Einer dieser Journalisten ist der Fotoreporter Mar Maw, der an Brennpunkten des Bürgerkriegs mit seiner Kamera den Kampf seiner Landsleute gegen die Junta und das Militär für (Exil-)Medien dokumentiert. Bei dem Gespräch in einem Café in Chiang Mai vor einigen Monaten war Mar Naw gerade zurück aus Myanmar. »Ich war mit Einheiten der revolutionären Kräfte unterwegs«, erzählt der 29-Jährige, der bis zum Putsch als Fotoreporter für die »Myanmar Times« arbeitete. »Als die Herausgeber den Befehl der Junta akzeptierten, sie nur bei ihrem selbst gewählten Namen ›Staatsverwaltungsrat‹ zu nennen, habe ich noch am gleichen Tag zusammen mit 30 Kollegen gekündigt«, erzählt Mar Naw.
Gegen die Exilmedien führt die Junta einen Cyberkrieg. »Wir erleben immer wieder Cyberattacken. Die haben seit Oktober 2023 zugenommen«, sagt Aung Zaw, Chefredakteur und Gründer des ältesten Exilmediums »Irrawaddy«, dessen Budget zu 35 Prozent von USAID abhängig war.
Im Oktober 2023 startete der bewaffnete Widerstand eine Offensive gegen die Junta, die seitdem das Militär in die Defensive gebracht hat. »Die Cybertattacken kommen über Tausende chinesische IP-Adressen«, weiß Aung Zaw, fügt aber lächelnd hinzu: »Wir haben zur Abwehr ein sehr gutes IT-Team.«
Virtuelle private Netzwerke (VPN) sind in Myanmar zur Umgehung von Zensur und Internetabschaltungen unverzichtbar, sowohl um an Informationen zu gelangen als auch Informationen, Fotos und Videos der vielen Bürgerjournalisten an die (Exil-)Medien außerhalb des Landes zu schicken. Das ist der Junta ein Dorn im Auge. Mit Internetblockaden, Polizei und Verboten geht sie massiv gegen VPNs vor. »Wir haben dadurch viele unserer User verloren«, klagt Mon Mon Myat. Was die 20 Redakteure in dem spacigen Redaktionsbüro in einer Lagerhalle am Stadtrand von Chiang Mai bisher aber nicht davon abhält, weiter über die Webseite, Facebook und in täglichen Youtube-Nachrichtensendungen zu berichten. »Wir haben schon rund 200 Landsleute in Myanmar zu Bürgerjournalisten ausgebildet«, sagt Mon Mon Myat.
Auch für Soe Myint von »Mizzima« ist trotz des Stopps von USAID aufgeben keine Option. »Wir haben keine andere Wahl, als unsere tägliche Medienberichterstattung über die Situation in Myanmar über unsere Multimedia-Plattformen fortzusetzen«, betont Soe Myint und fügt hinzu: »Es ist unsere Pflicht, zu berichten und unsere journalistische Arbeit zu verrichten, egal in welcher Situation und wo immer wir sind.«
In Myanmar greifen Widerstandsmilizen, Hilfskräfte und Exilmedien unterdessen zur Umgehung von Zensur und Internetblockaden auf die Starlink-Satelliten des Milliardärs Elon Musk zurück. Starlink ist zwar in Myanmar verboten, aber in den vom Widerstand befreiten Gebieten werben Cafés mit »Hier Starlink«, weiß David Mathieson. Der in Chiang Mai lebende unabhängige Myanmar-Analyst hat höchsten Respekt vor den Exilmedien und deren (Bürger-)Journalisten in Myanmar: »Sie sind die Augen und Ohren des Widerstands.«
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