Hamburg hält sich von Experimenten fern

Die Hansestadt wird wohl auch künftig von Rot-Grün regiert

  • Guido Sprügel, Hamburg
  • Lesedauer: 4 Min.
Peter Tschentscher (SPD), Erster Bürgermeister von Hamburg, und seine Ehefrau Eva-Maria Tschentscher (l.) feiern bei der Wahlparty der Hamburger SPD.
Peter Tschentscher (SPD), Erster Bürgermeister von Hamburg, und seine Ehefrau Eva-Maria Tschentscher (l.) feiern bei der Wahlparty der Hamburger SPD.

»Hier regiert die SPD« – skandierten die Genossinnen und Genossen bei der SPD-Wahlparty in Hamburg. Spitzenkandidat Peter Tschentscher wurde geradezu wie ein Rockstar empfangen. Vieles läuft in Hamburg anders als im Bund. Und in weiten Teilen entspricht das tatsächliche Wahlergebnis den Prognosen der letzten Wochen. Große Überraschungen blieben aus. Die Verluste der regierenden SPD wurden erwartet – dennoch liegen die etwa 33 Prozent deutlich über den Ergebnissen der Bundestagswahl sowie der letzten Abstimmungen in anderen Bundesländern im Vorjahr. Peter Tschentscher betonte in seiner Rede nach Veröffentlichung der ersten Prognosen insbesondere, dass es »den schlecht Gelaunten aus der rechten Ecke« nicht gelungen sei, das Ergebnis zu verdoppeln. Dennoch hat es die AfD geschafft, ihr Ergebnis von 2020 um 3,5 Prozent zu steigern. Die befürchtete Zweistelligkeit in der traditionellen SPD-Hochburg blieb dann aber doch aus. Die Grünen hingegen mussten einen herben Dämpfer hinnehmen. Mehr als 6 Prozent verlor die Partei.

Bürgerschaftswahl – Hamburg hält sich von Experimenten fern

Die großen Wahlgewinner der Bürgerschaft sind ohne Zweifel die CDU und die Linke. Mit dem Spitzenkandidaten Dennis Thering – der erst seit 2020 Vorsitzender der Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft ist – gelang der CDU beinahe eine Verdopplung der Stimmen. Sie wurde zweitstärkste Kraft. In ihrem Wahlkampf hatte sie vor allem auf die Themen Innere Sicherheit und Auto-Verkehr gesetzt. Das erschien bei einer sehr starken Klimabewegung in der Stadt lange als anachronistisch – konnte dann aber doch den ein oder anderen Wähler überzeugen.

Bürgerschaftswahl – Hamburg hält sich von Experimenten fern

Eine Verdopplung der Stimmen ist der Linken in der Hansestadt zwar nicht gelungen – nach der erfolgreichen Bundestagswahl hatte die Partei in den letzten Tagen noch einmal mit neuen Wahlplakaten reagiert: »Nach der Wahl ist vor der Wahl – Ergebnis der Linken verdoppeln«. Dennoch konnte die Linke ihr Ergebnis in Hamburg mit einem Zuwachs von mehr als zwei Prozent der abgegebenen Stimmen steigern. Bis vor wenigen Wochen schien dieses Ergebnis undenkbar. Spitzenkandidatin Cansu Özedmir zeigte sich selbst überrascht von der Renaissance der Linken und muss sich nun entscheiden, ob sie ihr Bundestagsmandat wahrnimmt oder doch in der Hansestadt bleibt.

Im Wahlkampf hatte die Linke auch auf ihren mittlerweile bewährten Haustürwahlkampf gesetzt. An Tausenden Türen klingelten die Genossen über Wochen und Monate, um die Menschen direkt zu befragen, wo der Schuh drückt. Die immer stärker steigenden Mieten wurden dabei laut Parteichef Jan van Aken von sehr vielen Wählern als Problem angesprochen. »Und da kann man etwas ändern. Ein bundesweiter Mietendeckel ist notwendig und auch die Mieten des städtischen Wohnungsunternehmens SAGA müssen sinken«, so Jan van Aken auf der Wahlparty der Linken. In den vergangenen Wochen hatte die Linke mit ihrer »Mietwucherapp« positive Schlagzeilen geschrieben. Mehr als 50 000 Fälle von überhöhter Miete wurden mit Hilfe der App aufgedeckt.

Kurz vor der Wahl hatte der Hamburger Senat sogar noch eine eigene »Mietmelder«-App an den Start gebracht. »Der Hamburger Senat hat unsere Mietwucherapp kopiert und das Plagiat als eigenen ›Mietmelder‹ online gestellt«, so Caren Lay von der Linken auf X. Der Stimmenzuwachs der Linken zeigt indes auch, dass man ohne das Thema Migration bei Wahlen punkten kann. Denn um das Thema hatte die Partei einen deutlich zu spürenden Bogen gemacht.

Den Sprung über die 5-Prozent-Hürde verpassten dagegen die FDP und das BSW deutlich. Mit Ergebnissen um die 2 bis 3 Prozent sind sie in Hamburg derzeit bedeutungslos. Und so sieht es in der Stadt aktuell nach einem ›weiter so‹ aus – trotz der Verluste beider Koalitionspartner.

Peter Tschentscher hatte im Wahlkampf schon indirekt für eine Fortsetzung des rot-grünen Bündnisses geworben. »Geräuschlos regieren« – so das Credo der Koalition – klappte in den letzten fünf Jahren beinahe reibungslos. Konflikte – sei es die Elbvertiefung oder der Umgang mit Volksinitiativen wie »Hamburgs grün erhalten« – endeten oft in Kompromissen. Trotz aller Euphorie für rot-grün betonte Tschentscher jedoch, dass er auch mit der CDU sprechen werde. So gehöre es sich in einer Demokratie. Immerhin liegt sie nach den ersten Hochrechnungen vor den Grünen. Richtig überzeugt klang Tschentscher bei seiner Aussage jedoch nicht.

So wird es höchstwahrscheinlich bei einem rot-grünen Bündnis in Hamburg bleiben. Den großen Wurf hat keine der beiden Parteien versprochen. »Hamburg Vereint« bei der SPD und »Zusammenhalt« bei den Grünen – auch in Hamburg sind die Bundesthemen angekommen. Ob der Zusammenhalt gelingt, bleibt abzuwarten. Denn auch in der Hansestadt ist die Schere zwischen arm und reich auseinander gegangen. Die Linke hat versprochen, als Opposition hier genauer hinzuschauen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.