Selbstlob, Lügen und Attacken

Mit der gewohnten Bombastik hielt US-Präsident Donald Trump seine erste Rede vor dem Kongress

  • Max Böhnel, New Jersey
  • Lesedauer: 4 Min.
Abgeordnete der Demokraten protestierten mit selbstgeschriebenen Schildern gegen die Trump-Show im Kongress.
Abgeordnete der Demokraten protestierten mit selbstgeschriebenen Schildern gegen die Trump-Show im Kongress.

»Amerika is back«, setzt Trump an, das »goldene Zeitalter Amerikas« sei angebrochen, mit ihm als Präsident werde »die größte und erfolgreichste Ära in der Geschichte unseres Landes« eingeläutet. Und: »Wir fangen gerade erst an.« Hinter Trump sitzen Vizepräsident JD Vance und der Sprecher des Repräsentantenhauses Mike Johnson, vor ihm Senatoren, Abgeordnete, das Kabinett, die Obersten Richter und uniformierte Militärs. Von der Ehrentribüne herab lächeln Trumps Finanzier und Sparkommissar Elon Musk, dessen Sitznachbar, der rechtsextreme neue FBI-Chef Kash Patel sowie First Lady Melania Trump und weitere Trumps.

Auch als Präsident im Wahlkampfmodus

Der 47. US-Präsident weicht kaum überraschend von einer Tradition der bürgerlichen US-amerikanischen Demokratie ab. Statt gegenüber den Abgeordneten seine Vorhaben im kommenden Jahr auszubreiten und dafür von ihnen Mittel einzufordern, ergeht er sich in Selbstlob, Lügen und Attacken auf die Opposition der Demokraten. Seine Rede ist ein Stückwerk aus Wahlkampftiraden vom vergangenen Jahr, Behauptungen von seiner Plattform Truth Social, nicht nachvollziehbaren Daten von angeblichem Sozialbetrug in Regierungsbehörden und platten Lügen. Teile seiner Rede, von denen er live mehrmals abweicht, waren bereits zuvor an Medien durchgestochen worden. Es bestätigt sich, dass sich Trump, statt eine Präsidentenansprache an den Kongress und die Nation zu halten, mental noch im Wahlkampf gegen Joe Biden befindet. Dessen Namen erwähnt er 14 Mal.

So oder so appelliert der TV-Profi Trump nicht an den Kongress und dessen Mitglieder, sondern an seine Anhänger zu Hause an den Bildschirmen. Sehr viel Redezeit verbringt Trump deshalb damit, die Demokraten mit Häme und Beleidigungen zu überziehen. Sie seien »linksradikale Verrückte« und hätten für die »Invasion von Millionen von Illegalen ins Land« gesorgt. Er werde »diese aus Irrenhäusern entlassenen Vergewaltiger und mörderischen Gangmitglieder« der Gerechtigkeit zuführen. Die Biden-Regierung habe für eine »ökonomische Katastrophe« und einen »Inflationsalbtraum« gesorgt.

Trumps Rede ist mit fast eineindreiviertel Stunden die längste vor dem Kongress seit vielen Jahrzehnten. Doch nur einen Bruchteil davon wendet der autoritäre Präsident auf die wirtschaftliche Lage der amerikanischen Bevölkerung auf. Über die Preisentwicklung, die sich unter Trumps protektionistischer Zollpolitik noch verschärfen wird, lässt er sich gar nicht aus. Mit dem Verweis auf Biden (»Joe Biden ließ die Eierpreise außer Kontrolle geraten«) schiebt er jegliche Verantwortung von sich. Dabei erwarteten sich laut Umfragen 70 Prozent der Bevölkerung von Trump Vorhersagen über seine Preispolitik.

Gerade seine Wähler sind davon und von den Kürzungsmaßnahmen betroffen. Dass sich Trump der Risiken des Handelskriegs, der Sparpolitik durch Musks Abteilung für Regierungseffizienz bewusst ist, klingt in seiner Rede bei genauerem Hinhören durch. Für die Farmer werde beispielsweise »vieles besser«, verspricht Trump, niemand werde ihnen von jetzt an mehr Konkurrenz machen. Um die Durchsichtigkeit dieser Aussage zu überspielen, schiebt er ein »Ich liebe die Farmer« hinterher. An anderer Stelle sagt er, vom Redemanuskript abweichend: »Es wird ein bisschen Unruhe geben, aber das ist für uns kein Problem.«

Geschlossener Protest der Demokraten

Während die Republikaner vielmals jubelnd und klatschend aufstehen, bleiben die Demokraten während Trumps Rede geschlossen sitzen. Manche Demokratinnen tragen Pink, schwarze Abgeordnete schwarze Anzüge. Einige Abgeordnete, etwa die Linke Alexandria Ocasio-Cortez, boykottieren die Rede. Etliche Abgeordnete halten runde Schilder mit weißer Schrift auf schwarzem Untergrund in die Höhe. Darauf steht etwa »Musk steals« (Musk klaut), »Protect Medicaid« (Schützt das Gesundheitsprogramm Medicaid) oder schlichtweg »False« (falsch). Schon zu Beginn der Rede wird der Demokrat Al Green, ein Abgeordneter aus Texas, auf Anordnung des Repräsentantenhaussprechers Mike Johnson, aus dem Saal eskortiert. Green hat über mehrere Minuten hinweg in Richtung Trump gerufen: »Du hast kein Mandat, Medicaid abzuschaffen.«

Eine Überraschung in Trumps Rede: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte ihm in einem Brief die Bereitschaft zur Unterzeichnung eines Rohstoffabkommens zugesichert. »Ich weiß das zu schätzen«, erklärt Trump dazu. »Macht euch bereit für eine unglaubliche Zukunft!«, schließt er seine Tiraden.

Die Schlüsselfrage lautet indessen: Wann beginnt die Republikaner-Basis, angesichts der Wirtschaftskrise zu murren? Umfragedaten mehrerer Institute wiesen Zustimmungsraten von unter 50 Prozent für Trump aus. Gallup nannte vor wenigen Tagen 45 Prozent, ein ausgesprochen niedriger Wert für einen Präsidenten in den ersten Amtswochen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.