- Politik
- Einigung zwischen SPD und CDU
Sondierungspapier: Was drin steht und was noch schiefgehen kann
CDU und SPD haben sich auf zentrale Punkte für eine mögliche gemeinsame Koalition geeinigt. In entscheidenden Fragen konnte sich die Union durchsetzen
CDU und SPD haben es eilig mit der Regierungsbildung. Nur zwei Wochen nach der Bundestagswahl haben die beiden Parteien die Sondierungsgespräche erfolgreich abgeschlossen und wollen schon bald mit den Koalitionsverhandlungen beginnen. Bei zentralen Themen in den Bereichen Migration, Soziales und Wirtschaft wurden sie sich schon einig. Scharfe Kritik kommt von innen und von außen. Die Grünen könnten sich den Plänen von schwarz-Rot noch in den Weg stellen.
Zunächst die wichtigsten Punkte im Überblick: Worauf haben sich CDU und SPD bisher geeinigt?
Haushalt und Finanzen
Schon vergangene Woche haben sich Union und SPD auf ein Finanzpaket geeinigt, das drei wichtige Vorhaben enthält:
- Unbegrenzte Schulden für das Militär: Rüstungsausgaben bis zu einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts werden als Teil des normalen Staatshaushaltes verbucht. Ausgaben, die darüber hinausgehen, sollen unbegrenzt über Schulden finanziert werden. Dafür soll die Schuldenbremse speziell für Militärausgaben ausgesetzt werden.
- 500 Milliarden für die Infrastruktur: Um die Wirtschaft anzukurbeln soll ein auf zehn Jahre angelegtes Sondervermögen von 500 Milliarden Euro für die Infrastruktur geschaffen werden, davon 100 Milliarden für die Länder.
- Reform der Schuldenbremse: Eine Expertenkommission soll eine generelle Reform der Schuldenbremse erarbeiten, die bis zum Jahresende kommen soll.
Dieses Finanzpaket bildet quasi die Grundlage für die schnelle Einigung zwischen CDU und SPD. Zum einen zwang das Vorhaben die beiden zu einer schnellen Übereinkunft, weil Sondervermögen und Ausnahme der Schuldenbremse noch mit dem alten Bundestag, also vor dem 24. März verabschiedet werden sollen. Der einfache Grund: Im neuen Bundestag gibt es eine Zweidrittelmehrheit nur mit den Linken, mit denen ist eine Einigung etwa bei den Militärausgaben aber so gut wie ausgeschlossen.
Dazu kommt: Die SPD kann das Sondervermögen Infrastruktur als Erfolg kommunizieren und damit über die Eingeständnisse in Sachen Migration hinwegtrösten, auch wenn es eher eine Notwendigkeit war. Die CDU hat zwar ein wichtiges Wahlversprechen, nämlich das Festhalten an der Schuldenbremse, aufgegeben. Ohne die Mehrausgaben wären die Vorhaben von CDU und SPD für die nächsten vier Jahre aber schlichtweg nicht umsetzbar gewesen.
Asyl und Migration
In den Migrationsfragen konnte sich die Union mit ihren Forderungen nach einer wesentlich verschärften Migrationspolitik weitestgehend durchsetzen:
- Zurückweisungen an den Grenzen: »In Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn« soll es dazu an den Grenzen Zurückweisungen auch von Asylsuchenden geben.
- Kein Familiennachzug: Der Familiennachzug subsidiär Schutzberechtigter soll befristet ausgesetzt werden, hier wird aber noch kein Zeitraum genannt.
- Deportationsoffensive: Bei Abschiebungen soll es keinen verpflichtenden Rechtsbeistand mehr geben, die Bundespolizei soll Abschiebehaft anordnen dürfen.
- Entzug der Staatsbürgerschaft: Es soll geprüft werden, ob »Terrorunterstützern, Antisemiten und Extremisten« die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt werden kann.
- Zuwanderung von Fachkräften: Neue Migrationsabkommen sollen »die legale Zuwanderung steuern«. Die Fachkräfteeinwanderung soll vereinfacht werden – durch weniger Bürokratie und eine leichtere Anerkennung von Abschlüssen.
Worauf man sich offenbar noch nicht geeinigt hat, sind dauerhafte Grenzkontrollen an allen deutschen Außengrenzen, die Merz vor der Wahl angekündigt hatte. Unter der SPD-geführten Ampel wurden allerdings auch schon Grenzkontrollen eingeführt – aber EU-rechtskonform immer nur für ein halbes Jahr.
Arbeit und Soziales
Kleine Zugeständnisse in Richtung SPD macht die Union in Sachen Renten und Mietpreisbremse. Bei der Bürgergeldfrage setzt sich die Union aber klar durch, genauso auch bei der Ausweitung der Arbeitszeiten.
- Grundsicherung statt Bürgergeld: Das Bürgergeld soll durch eine neue Grundsicherung ersetzt und Arbeitsfähige »schnellstmöglich in Arbeit vermittelt werden«. Für Verweigerer soll es schärfere Sanktionen geben bis hin zum Entzug der Leistungen für diejenigen, die arbeiten können, aber »wiederholt zumutbare Arbeit verweigern«.
- Mindestlohn 15 Euro: Beim Mindestlohn soll bis 2026 eine Höhe von 15 Euro erreicht werden – zugleich halten Union und SPD an der unabhängigen Mindestlohnkommission fest.
- Anreize für Mehrarbeit: Zuschläge für Mehrarbeit sollen steuerfrei gestellt werden und es soll steuerliche Anreize für die Ausweitung der Arbeitszeit bei Teilzeitbeschäftigung geben.
- Stabile Renten: Das Rentenniveau soll gesichert werden und es werden »stabile Renten« angestrebt. Ein abschlagsfreier Renteneintritt nach 45 Beitragsjahren soll weiterhin möglich sein. Wer freiwillig länger arbeiten möchte, soll steuerlich entlastet werden.
- Mietpreisbremse: Die Mietpreisbremse soll um zwei Jahre verlängert werden.
Was kann jetzt noch schiefgehen?
Jetzt hagelt natürlich Kritik an der Einigung zwischen CDU und SPD von innen wie außen. Die Junge Union vermisst »echte Strukturreformen«, eine klare Einigung zur Wehrpflicht und ist nicht mit der Lockerung der Schuldenbremse einverstanden. Die Jusos lehnen die Eingeständnisse in der Migrationspolitik ab und sagen, 500 Milliarden für die Infrastruktur seien nicht genug. Die AfD stichelt gegen Merz von rechts, er habe seine Migrationsversprechen nicht in versprochener Härte durchgesetzt. Grüne und Linke sind empört über ebenjene Migrationspositionen. Soweit so absehbar – aber kann jetzt wirklich noch etwas schiefgehen?
Die erste große Hürde haben Union und SPD mit ihrer Einigung in den Sondierungsgesprächen auf jeden Fall genommen. Die wichtigen Finanzfragen sind geklärt, der Migrationskurs abgesteckt und die Reform des Bürgergelds beschlossen. Die Spitzengremien von CSU hat dem Papier schon zugestimmt, CDU und SPD werden folgen. Bis Ostern soll der Koalitionsvertrag stehen – das wäre Rekordzeit für eine Regierungsbildung.
Eine Partei könnte aber noch dazwischengrätschen: Die Grünen. Schließlich werden sie für die Grundgesetzänderung durch den alten Bundestag bis zum 25. März, die für das schwarz-rote Finanzpaket nötig ist, zwingend gebraucht. Wenn die sich nicht überzeugen lassen, ist die Grundlage für die Koalitionsverhandlungen hinüber, bevor diese richtig begonnen haben. Im neuen Bundestag bräuchte man für eine Zwei-Drittel-Mehrheit AfD (Zusammenarbeit ausgeschlossen) oder Linke (Zusammenarbeit extrem schwierig).
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