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Selenskyj sagt Ja zum Waffenstillstand
Kiew erhält für seine Zusage wieder US-amerikanische Waffen und Satellitenbilder
Die Zustimmung kam überraschend. Nachdem der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in den vergangenen Tagen einen kompletten Waffenstillstand kategorisch abgelehnt und auf eine partielle Feuerpause zu seinen Bedingungen bestanden hat, kommt nun die Kehrtwende. Direkt nach dem US-amerikanisch-ukrainischen Gespräch in Dschidda sprach Selenskyj sich für eine 30-tägige Waffenruhe aus.
»Ich meine es sehr ernst und es ist wichtig für mich, den Krieg zu beenden. Ich möchte, dass der US-Präsident das sieht. Deswegen war meine Reaktion, dass wir zu einer 30-tägigen Pause in dem Format bereit sind, das uns von amerikanischer Seite angeboten wurde«, sagte Selenskyj am Mittwoch zu seiner Kehrtwende und kündigte an, nach Kriegsende und Aufhebung des Kriegsrechts Präsidentenwahlen abhalten zu lassen.
Anti-Trump-Kampagne lief ins Leere
Regierungssprecher Heorhij Tychyj lobte seinen Präsidenten und behauptete, Selenskyj habe die ukrainische Delegation in Dschidda aus der Ferne geleitet und »weise Flexibilität« an den Tag gelegt, die ein »finales positives Ergebnis« ermöglichte.
»Ich meine es sehr ernst. Ich möchte, dass der US-Präsident das sieht. Deswegen war meine Reaktion, dass wir zu einer 30-tägigen Pause bereit sind.«
Wolodymyr Selenskyj Ukrainischer Präsident
Wahrscheinlicher ist jedoch, dass Selenskyj keine andere Wahl hatte. Delegationsleiter Andrij Jermark soll ihn bewusst von den Gesprächen ferngehalten haben, um den US-Forderungen zustimmen zu können, über die er vorab informiert gewesen sein soll. Die zuvor vom Präsidialamt initiierte Kampagne, Russland stehe kurz vor dem Zusammenbruch und Trump sei ein Putin-Spion, der seinem Freund zu Hilfe eilt, verlief ins Leere. Der Druck Washingtons, vor allem das Aussetzen der Militärhilfe, war letzten Endes zu groß. Trump habe Selenskyj auf seinen Platz verwiesen, hieß es dazu aus dem Weißen Haus.
Selenskyj muss sich dem Weißen Haus unterordnen
Der Erfolg, den Selenskyj nun zu verkaufen versucht, ist in Wahrheit eine Niederlage für ihn. Die Ukraine ist vorläufig raus aus dem diplomatischen Spiel, hat nun faktisch keine Mitsprache mehr bei der Beilegung des Kriegs und muss ausführen, was die USA und Russland miteinander verhandeln.
Dass in der Ukraine die Waffen wirklich bald schweigen werden, ist nicht ausgemacht. Der Ball liegt nun im russischen Feld. Und der Kreml hält sich bedeckt. Man wolle nicht vorsprechen, sagte Regierungssprecher Dmitri Peskow am Mittwoch. Während US-Außenminister Rubio eine sehr schnelle Kontaktaufnahme mit Moskau ankündigte, hieß es dort, man könne ein Treffen vereinbaren, wenn es nötig sei.
Moskaus Zustimmung ist sehr fraglich
Viel spricht dafür, dass Russlands Präsident Wladimir Putin kein Interesse an einer Feuerpause hat. Seine Armee rückt seit Wochen weiter vor, die Befreiung des Gebiets Kursk ist eine Frage von Stunden. Die ukrainische Armee hat dort den Rückzug angetreten. Auch im Donbass erobern russische Soldaten immer mehr Orte. Je weiter sie vorankommen, umso mehr kann Putin seinen Krieg als Sieg verkaufen.
Gleichzeitig gibt es Faktoren, die Putin doch zum Einlenken bewegen könnten. Verwehrt sich Russland den Vorschlägen aus Washington, »sagt das viel aus«, so Rubio. Die USA könnten in dem Fall neue Sanktionen erlassen. Allerdings sei es »nicht konstruktiv«, schon zu drohen, bevor Moskau sich geäußert habe. Auch außenpolitisch könnte eine Verweigerung schwerwiegende Folgen haben. Putin könnte sich Trump zum Feind machen und die USA und die EU wieder einander näherbringen. Und im Globalen Süden würde Moskau an Reputation verlieren. Insbesondere China drängt schon länger zu einem Friedensschluss. Ein Ja zum Waffenstillstand wäre ein erster Schritt zur Wiederannäherung an China, die USA und die EU.
Beobachter glauben deshalb, Putin könnte durchaus an Ukraine-Gesprächen mit Trump interessiert sein, gleichzeitig aber Forderungen an Kiew stellen, um seine Waffen schweigen zu lassen. Ein möglicher Zeitpunkt für die Gefechtspause wäre demnach Ostern.
Kiew bekommt Waffen und Geheimdienstinfos
Ob ein Waffenstillstand dauerhaft werden kann, hängt von vielen momentan unvorhersagbaren Faktoren ab. Beide Seiten werden sich darauf einstellen, weiterzukämpfen. Für Kiew ist die Zusage zum Waffenstillstand mit dem Wissen, dass Moskau kaum zustimmen wird, schon jetzt ein Gewinn. Ohne große Mühe hat man so erreicht, dass die von den USA zuletzt blockierten Waffenlieferungen und Geheimdienstinformationen wieder das Land erreichen. Polen hat bereits bestätigt, dass Züge mit Kriegsmaterial in die Ukraine gerollt sind.
Und die Skepsis bleibt groß in der Ukraine. »Im Moment ist nicht klar, wer von diesem Waffenstillstand einen größeren Vorteil hat«, äußerte der Parlamentsabgeordnete Roman Kostenko seine Bedenken. »Die Russen können innerhalb von 30 Tagen Kräfte sammeln, neue Operationen planen und damit beginnen, die Ukraine von innen heraus zu untergraben«, so Kostenko. Die Ukraine müsse deshalb während der Feuerpause die massiv kritisierte Mobilmachung fortsetzen, forderte der Politiker.
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