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Solidarität mit Gefangenen: Über Mauern und Grenzen hinweg
Traditionelle Parole der Roten Hilfe bekommt angesichts länderübergreifender Verfolgung von Antifas besondere Bedeutung
Der Kern des Engagments von Organisationen wie der Roten Hilfe lässt sich wohl mit einem Statement von Ingrid Strobl zusammenfassen: »Wenn ich mit anderen Linken solidarisch bin, heißt das nicht, dass ich immer alles gut finde, was sie tun. Aber für ihr Recht darauf stehe ich ein.« Die vor gut einem Jahr verstorbene österreichische Journalistin, Publizistin und Dokumentarfilmerin war 1989 selbst wegen Unterstützung einer »terroristischen Vereinigung« und »Beihilfe zum Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion« zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. Bereits seit 1987 saß sie in Untersuchungshaft, und ihre gesamte Haftzeit bis 1990 musste sie in Isolation verbringen.
Strobl war festgenommen worden, weil sie einen vom Bundeskriminalamt präparierten Wecker gekauft hatte, dessen markierte Teile in den Überresten einer Bombe gefunden worden waren, die 1986 am Verwaltungsgebäude der Lufthansa in Köln explodiert war. In einem 2020 posthum erschienenen Buch räumte sie ein, vom Zweck des Weckers für einen Anschlag der »Roten Zellen« auf die Lufthansa gewusst zu haben. Mit der Attacke wollten die daran Beteiligten gegen Sextourismus und dagegen protestieren, dass die Airline damit Profit machte.
Die Rote Hilfe (RH) hat das Strobl-Zitat an den Beginn einer Erklärung zum diesjährigen Tag der politischen Gefangenen, dem 18. März, gestellt. Die RH knüpfte bei ihrer Neugründung 1975 und Wiederbelebung in den 1990er Jahren an eine Tradition der Arbeiter*innenbewegung an und etablierte den Aktionstag wieder in der linken Öffentlichkeit. Verschiedene Landesämter für Verfassungsschutz klassifizieren die RH als »linksextremistisch«, auch im Verfassungsschutzbericht des Bundesamtes taucht sie auf. In Bayern müssen Unterstützer der RH deshalb ein Berufsverbot im öffentlichen Dienst fürchten. 2018 forderte der damalige CDU-Bundestagsabgeordnete und heutige Innenminister Sachsens, Armin Schuster, ein Verbot, bislang erfolglos. Auch Mitglieder von SPD und Grünen engagieren sich in der RH.
Den 18. März hatten im Jahr 1923 Aktive der Arbeiterbewegung zum Kampftag für die politischen Gefangenen erklärt. Es war die Frühphase der Weimarer Republik, als Tausende, die sich nach der Novemberrevolution 1918 in Arbeiter- und Soldatenräten engagiert hatten, in Gefängnissen saßen. Es waren Kommunist*innen, linke Sozialdemokrat*innen, Anarchist*innen und Parteilose. Mit der Wahl des Datums berief sich die damalige Rote Hilfe Deutschlands auf die Pariser Kommune, den ersten proletarischen Aufstand, der am 18. März 1871 begonnen hatte und wenige Wochen später blutig niedergeschlagen worden war. Es ging damals und geht heute einerseits um Solidarität und moralische Unterstützung Inhaftierter, aber auch immer um materielle Hilfe für sie und ihre Familien.
Doch was bedeutet das RH-Motto »Solidarität verbindet« in einer Zeit, in der die gesellschaftliche Linke in zentralen politischen Fragen zerstritten ist, zum Beispiel in der Positionierung zum Krieg im Nahen Osten? In den vergangenen Monaten gingen auch in Deutschland Tausende gegen die Kriegführung Israels in Gaza, aber auch im Libanon, auf die Straße. Die Polizei verbot viele dieser Aktionen, es gab Festnahmen und auch harte Strafen vor Gericht. Ein Teil der israelsolidarischen Linken sieht hierin keine Repression gegen Linke, sondern notwendige Maßnahmen gegen einen sogenannten israelbezogenen Antisemitismus.
Auf diese Problematik hat im Vorfeld des diesjährigen 18. März das Netzwerk »Freiheit für alle politischen Gefangenen« (Political Prisoners Network) hingewiesen, das die Publikation »Gefangeneninfo« herausgibt. Darin kommen Menschen zu Wort, die aus politischen Gründen im Gefängnis sitzen oder sich hinter Gittern politisiert haben. Seit einiger Zeit legen demnach manche linke Zentren das Blatt nicht mehr aus, weil es sich explizit solidarisch mit palästinensischen Gefangenen und auch mit der in Deutschland verbotenen palästinensischen Organisation Zamidoun erklärt. Zuletzt sagten einige Lokale Veranstaltungen über Repressalien gegen Linke ab, wenn Vertreter*innen des Netzwerks dazu eingeladen waren.
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