Öffentlicher Dienst: Erst die Scherben, dann die Schlichtung

Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst blieben auch in der dritten Runde ergebnislos

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (li.) und Kommunen-Vertreterin Karin Welge nach dem Scheitern der Verhandlungen
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (li.) und Kommunen-Vertreterin Karin Welge nach dem Scheitern der Verhandlungen

Die Nachricht am Montagabend kam nicht ganz überraschend: Nach vier Verhandlungstagen erklärten die Arbeitgeber die Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst für Bund und Kommunen in der dritten Runde für gescheitert und beriefen eine Schlichtung ein. »Wir müssen einen Ausgleich zwischen den berechtigten Interessen unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, der Funktionsfähigkeit der kommunalen Einrichtungen und dem Schutz der Bürgerinnen und Bürger vor weiteren finanziellen Belastungen schaffen«, sagt dazu Karin Welge, Verhandlungsführerin der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA). »Die Gewerkschaften haben uns leider eine Möglichkeit verwehrt, diesen ausgewogenen Weg zu finden.«

Verdi und der Beamtenbund, die gemeinsam für die rund 2,6 Millionen Beschäftigten des Bundes verhandeln, seien nicht hinreichend kompromissbereit gewesen, bemängelt ein VKA-Sprecher gegenüber »nd«. Sie hätten auch in der dritten Verhandlungsrunde an unrealistischen Forderungen festgehalten, deren Geldvolumen Mehrkosten für die Kommunen von rund elf Prozent pro Jahr bedeutet hätten. »Wir reden von Reallohnsteigerungen, die weder zur prekären finanziellen Haushaltslage der Kommunen noch zur gesamtwirtschaftlichen Situation in Deutschland passen«, kritisiert die Vereinigung.

Verdi war ursprünglich mit einer Forderung nach insgesamt acht Prozent mehr Lohn, mindestens aber 350 Euro pro Monat in die Verhandlungen gegangen. Darüber hinaus sollten Beschäftigte drei freie Tage und mehr Souveränität bei der Arbeitszeit über ein sogenanntes Meine-Zeit-Konto bekommen. Die Mehrkosten für die Forderungen belaufen sich je nach Berechnung auf 13 bis 15 Milliarden Euro.

»Wir waren für eine Lösung bereit – unsere Verhandlungspartner ganz offenbar nicht.«

Frank Werneke Verdi-Vorsitzender

Die Gewerkschaften weisen den Vorwurf mangelnder Kompromissbereitschaft indes zurück. »Wir waren für eine Lösung bereit – unsere Verhandlungspartner ganz offenbar nicht«, sagt der Verdi-Vorsitzende Frank Werneke. Nicht nur bei der Entgelterhöhung und dem Mindestbetrag als soziale Komponente, sondern auch bei der Altersteilzeit oder einem zeitgemäßen Arbeitszeitkonto hätten sich die Arbeitgeber verweigert. »Ich bedauere es sehr, dass sich Bund und Kommunen in die Schlichtung flüchten«, erklärt Werneke.

Eine Schlichtung deutete sich schon am Abend an, als ein Angebot der Arbeitgeberseite an die Deutsche Presse-Agentur durchgestochen wurde – durch wen ist unklar. Kritiker*innen sehen darin einen Versuch der Arbeitgeber, ihre Position in der Öffentlichkeit zu legitimieren. »Das strategische Vorgehen kam nicht überraschend, sondern hat sich insbesondere ab Freitag im Verhandlungsablauf widergespiegelt«, erklärt Verdi dazu auf Nachfrage. Die VKA weist die Anschuldigung zurück und verdächtigt ihrerseits die Gewerkschaften, diese wollten damit das Schlichtungsverfahren beeinflussen.

So oder so scheint am Wochenende einiges an Porzellan zu Bruch gegangen zu sein, das in der Schlichtung aufgesammelt werden muss. Seitens der Gewerkschaften wurde hierfür Henning Lühr benannt. Der ehemalige Staatsrat der Hansestadt Bremen war bereits bei der letzten Tarifrunde im Jahr 2023 als Vermittler beauftragt worden. Für die Seite der Arbeitgeber sitzt der ehemalige hessische Ministerpräsident Roland Koch am Verhandlungstisch.

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Eine umstrittene Personalie. Während man sich in der Verdi-Zentrale in Berlin zur Ernennung des CDU-Politikers nicht äußern will, sorgt die Wahl unter Beschäftigten für Unmut: »Bei uns war es von Anfang an Thema, dass Roland Koch als Schlichter berufen wurde«, erzählt Julia George im Gespräch mit »nd«. Sie arbeitet für die Stadt Leipzig und ist in der Tarifbewegung aktiv. »Er war für Privatisierungen verantwortlich und hat dafür gesorgt, dass Hessen (im Jahr 2004, d. Red.) aus dem Tarifvertrag der Länder ausgestiegen ist«, bemängelt sie. Entsprechend groß sei die Sorge, »dass es für uns zu keinem guten Ergebnis kommt«.

Zu den Vorwürfen will sich die VKA nicht äußern. »Jede Seite benennt den Schlichter, von dem sie glaubt, dass er eine Einigung herbeiführen kann, die für beide Seiten am Ende tragbar ist«, heißt es knapp.

Für Verdi bedeutet die Schlichtung, dass man vorerst auf Streiks verzichten muss, denn bis zum Ende des Verfahrens herrscht Friedenspflicht. »Somit bleiben den Bürgerinnen und Bürgern ab Mitte der kommenden Woche weitere Streiks erspart«, rühmt sich die VKA. Verdi will die Zeit ihrerseits für organisatorische Vorbereitungen nutzen. »Wir kennen die Spielräume, die sich aus dem Schlichtungsabkommen ergeben«, erklärt die Gewerkschaft und zeigt sich selbstbewusst: »Es wird weiter informiert und mobilisiert.«

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