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Erneute Kontamination mit Agent Orange in Vietnam

Erst 2017 begann die US-Regierung, durch Giftangriffe im Vietnamkrieg verseuchte Orte zu säubern. Das stoppte mit dem Einfrieren der Entwicklungshilfe

  • Marina Mai
  • Lesedauer: 4 Min.
Ein Soldat am ehemaligen Luftwaffenstützpunkt Bien Hoa in Südvietnam neben einem Schild, das vor Vergiftung warnt
Ein Soldat am ehemaligen Luftwaffenstützpunkt Bien Hoa in Südvietnam neben einem Schild, das vor Vergiftung warnt

Die US-Regierung hat nach Angaben von Außenminister Marco Rubio 83 Prozent der Entwicklungshilfeprogramme gestrichen, weil sie nicht in die Agenda des US-Präsidenten Donald Trump passen. Eines der zeitweise eingestellten Projekte könnte dramatische Umweltprobleme in Vietnam zur Folge haben, wie aus Recherchen des US-amerikanischen Investigativ-Netzwerkes Pro Publica und der in Thailand und Kanada erscheinenden Zeitung »Asia Times« hervorgeht. Noch ist unklar, ob es weitergeführt wird.

Bei dem Projekt geht es um die Beseitigung von Agent Orange. Ein Gift, das das US-Militär während des Vietnamkrieges von 1962 bis 1971 von Flugzeugen aus über Vietnam versprühte. Ziel war es, den Regenwald zu entlauben, der ihren militärischen Gegnern Rückhalt bot. Durch das Gift starben viele Vietnamesen, und die Folgen sind bis in die Gegenwart verheerend: Weil es an nachgeborene Generationen weitergegeben wird, kommen noch heute in Vietnam Babys mit schwersten Behinderungen zur Welt. Und da das Gift im Boden lagert, wird es teils auch über Nahrungsmittel von Menschen aufgenommen.

Die US-Regierung hat zwar 1984 amerikanische Soldaten finanziell kompensiert, die mit dem Gift in Berührung gekommen waren und dadurch gesundheitliche Schäden erlitten hatten. Sie weigerte sich allerdings, die vietnamesischen Opfer zu entschädigen. 2005 verloren sie vor amerikanischen Gerichten eine Sammelklage auf Entschädigung gegen die Herstellerfirmen der Gifte.

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Nach jahrelangen Debatten begann die US-Regierung 2017 immerhin, ihren ehemaligen Luftwaffenstützpunkt Bien Hoa in Südvietnam zu säubern, auf dem die Fässer mit der giftigen Substanz gelagert worden waren. Allein dabei sollen 500 000 Kubikmeter Dioxin in Boden und Grundwasser gelangt sein. Als US-Außenminister Marco Rubio das gemeinsam von amerikanischen und vietnamesischen Firmen betriebene Projekt im Februar stoppte, war man gerade dabei, die Ladung von etwa 40 000 Muldenkippern an kontaminierter Erde abzutragen. Selbst die Auszahlung von einer Million US-Dollar für bereits geleistete Arbeiten wurde eingefroren.

Verehrende Folgen für die Umwelt

»Es wurden offene Gruben freigelegt, die mit Dioxin verseucht waren«, schreibt die »Asia Times«. »Wochenlang war der kontaminierte Boden nur mit Planen bedeckt, die irgendwann vom Wind weggeweht wurden.«

Laut Recherchen von Pro Publica warnten US-Diplomaten in Vietnam ihre Regierung, die Region stehe kurz vor der Regenzeit, in der häufig sintflutartige Regenfälle auftreten. Dadurch könne mit Dioxin kontaminierter Boden in den umliegenden Gemeinden das Leben für Hunderttausende Bewohner unmöglich machen. Und weniger als 450 Meter entfernt fließt ein großer Fluss, der nach Ho-Chi-Minh-Stadt mit 9 Millionen Einwohnern führt. »Kurz gesagt«, fügten die Beamten hinzu, »steuern wir schnell auf eine ökologische und lebensbedrohliche Katastrophe zu.« Aus Washington hätten sie den Recherchen zufolge keine Antwort erhalten.

Es folgte ein Hin und Her. Die Weisungen wurden zeitweise wieder aufgehoben, erneuert und erneut aufgehoben. Eine Gruppe demokratischer Senatoren argumentierte, es handele sich bei dem Projekt nicht um klassische Entwicklungshilfe, sondern um Wiedergutmachung von durch die US-Armee angerichteten Schäden. Vietnam sei ein wichtiger Partner der USA in Asien, die negativen Folgen für die zwischenstaatlichen Beziehungen seien enorm, schrieben sie. Die US-Regierung beschwichtigte, ohne jedoch konkret zu werden.

Das Recherchenetzwerk Pro Publica schickte einen Reporter vor Ort. Ihm zufolge arbeitet auf der Baustelle nur noch eine Notbesetzung mit weniger als der Hälfte des Personals des vorherigen Teams. Etliche Mitarbeiter hatten sich während der Baupause neue Jobs gesucht. Die beteiligten Unternehmen entsorgten die Gifte teilweise auf eigene Kosten, den US-Spezialisten sei die Kommunikation mit ihnen zeitweise untersagt gewesen. Arbeiter sagten dem Reporter, sie seien besorgt, ob die Arbeiten vor Beginn der Regenzeit fertig seien und ob es möglicherweise eine erneute Einstellung des Projekts gebe.

»Ein solches Projekt mitten in der Arbeit zu stoppen, ist ein Umweltverbrechen«, sagte Jan Haemers von einem der beauftragten Unternehmen gegenüber der »Asia Times«. »Wenn man mittendrin aufhört, ist es schlimmer, als wenn man nie angefangen hätte.« Das US-Außenministerium erklärte gegenüber Pro Publica, Verträge für Bien Hoa seien »aktiv und laufend«, antwortete jedoch nicht auf detaillierte Nachfragen. Auch vietnamesische Behörden ließen die Fragen unbeantwortet.

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