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Frankfurt (Oder): SED-Oberbürgermeister Fritz Krause unvergessen
Von Thürignen nach Brandenburg: 80 Zuhörer kommen zur Buchvorstellung im Rathaus von Frankfurt (Oder)
Im Sonnenlicht strahlt am Samstagmorgen die frisch sanierte Fassade des Rathauses von Frankfurt (Oder). Im Sonnenlicht strahlt nur wenige Schritte weiter auch der Turm der St. Marienkirche, die für ihre wundervollen mittelalterlichen Bleiglasfenster berühmt ist. Im Rathaus wirkte von 1965 bis 1990 Oberbürgermeister Fritz Krause (SED), und es zählt zu seinen Verdiensten, dass die St. Marienkirche heute überhaupt noch steht. Denn 1965 war Krause von der SED-Bezirksleitung signalisiert worden, die Kirche müsse weg. Doch der Oberbürgermeister sorgte im Gegenteil dafür, dass sich die Stadt verpflichtete, die Ruine zu restaurieren und auszubauen. 1979 begann die Instandsetzung.
Fritz Krause verstarb 2012. Am 13. April wäre er jetzt 100 Jahre alt geworden. Viele Einwohner der Stadt, die den ehemalige Oberbürgermeister in guter Erinnerung haben, würden sich wünschen, dass zu diesem runden Jubiläum eine Gedenktafel an der Kirche angebracht wird. Die Stadtverordnetenversammlung hat eine Ehrung in der Art im November beschlossen. Fünf Monate sollten als Vorlauf genügen, denkt man. Doch gab es zuletzt neuerliche Querelen. CDU, SPD und Grüne, die gegen das Vorhaben sind, sperren sich weiter. Nur mit den Stimmen der AfD gab es im November im Stadtparlament eine Mehrheit für die geplante Ehrung. Es war eine überraschende Mehrheit, da die AfD zuvor im Kulturausschuss gegen die Ehrung gestimmt hatte.
Vielleicht komme die Tafel nun im September, hofft der Stadtverordnete Uwe Henning von der Frankfurter Bürgeriniative. Diese Wählergruppe tritt gemeinsam mit der Linksfraktion dafür ein. Was es am Samstag im Rathaus immerhin schon einmal gibt, ist die Vorstellung eines Miniaturbuchs »Unvergessen« über Fritz Krause. Der frühere Stadtverordnete Erik Rohrbach (Linke) hat das Buch geschrieben und den aktuellen Oberbürgermeister René Wilke (parteilos) gebeten, das Vorwort zu liefern. Wilke ist erst 40 Jahre alt, hat Fritz Krause aber noch persönlich kennengelernt und ihn ebenfalls »in guter Erinnerung«, wie er im Vorwort formuliert.
»Viele, die sich jetzt an seiner Ehrung stoßen, haben damals noch nicht gelebt oder noch nicht hier gelebt und ihn nicht gekannt, wie wir ihn kannten.«
Uwe Henning Stadtverordneter
Wilke ist im Juni 2024 aus der Linken ausgetreten. Eine spezielle Ehrung von Oberbürgermeistern hält er für überflüssig. Die größte Ehre sei ja bereits, das Amt ausüben zu dürfen, erklärt Wilke. Er schreibt im Vorwort, jeder Rathauschef in der Geschichte der Stadt habe auch unpopuläre Entscheidungen treffen müssen und sei vor dem Hintergrund seiner Zeit zu beurteilen.
CDU, SPD und Grünen ist es ein Dorn im Auge, einen SED-Politiker noch nach der Wende mit einer Gedenktafel zu ehren. Ein solcher Fall ist bislang nicht bekannt. Dass Krause diese Aufmerksamkeit wert ist, versichern Menschen wie Erik Rohrbach und Uwe Henning, die ihn persönlich kannten. Henning sagt am Samstag bei der Buchvorstellung: »Viele, die sich jetzt an seiner Ehrung stoßen, haben damals noch nicht gelebt oder noch nicht hier gelebt und ihn nicht gekannt, wie wir ihn kannten.«
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An die 100 Menschen – zum Teil extra aus Berlin und Thüringen angereist – sind in den Saal Heilbronn gekommen, um ein paar aus dem Buch vorgetragene Ausschnitte zu hören. Fritz Krauses Sohn Manfred ist auch da. Es müssen noch zusätzliche Stühle gebracht werden für die vielen Gäste, die so demonstrieren, dass sie mindestens die anvisierte Gedenktafel wollen, für die bereits Spenden gesammelt sind. Einer steht auf und gesteht, er wünsche sich eigentlich sogar ein richtiges Denkmal.
Fritz Krause war ein Mensch mit Ecken und Kanten, der sich auch mal deftig ausdrückte und dem noch jungen Erik Rohrbach einmal bedeutete, er müsse seinen »Arsch« hochbekommen und sich um den Baufortschritt beim Krankenhaus kümmern. Nicht kümmern wollte sich Krause zu DDR-Zeiten um einen verdienten Arbeiterveteran, der seine Lebensuhr ablaufen fühlte und aus der SED aus- und in die Kirche eintrat. Einen Auftrag der Partei, diese Angelegenheit zu bereinigen, indem er den Arbeiterveteran umstimmt, lehnte der Oberbürgermeister Erik Rohrbach zufolge mit trockenem Humor ab. Krause habe gesagt: »Es ist doch besser, es stirbt einer von denen als einer von uns.«
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