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Anbau von Cannabis bald wieder illegal?
Cannabis-Verbände besorgt wegen Rückschritten mit der neuen Koalition
Die Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD versetzen die Cannabis-Community in Deutschland in helle Aufregung. CDU und CSU drängen auf die Rückabwicklung der Cannabis-Entkriminalisierung. Das machen Politiker*innen von beiden Parteien immer wieder deutlich. Zuletzt erklärte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann: »Wir wollen den Fehler der Ampel rückgängig machen und Cannabis wieder verbieten.« Aus der zuständigen Arbeitsgruppe der Koalitionsverhandlungen ist nur die CDU/CSU-Forderung vermerkt: »Wir machen die Teillegalisierung von Cannabis rückgängig.« Die SPD-Abgeordnete Carmen Wegge, die auf sozialdemokratischer Seite in der Ampel leidenschaftlich für die Entkriminalisierung gekämpft hatte, teilte der Cannabis-Community über die sozialen Netzwerke mit, dass die Forderung der Union nicht das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen seien.
Seit dem 1. April 2024 ist es Erwachsenen in Deutschland erlaubt, 50 Gramm Cannabis zu besitzen, 25 Gramm dürfen sie stets bei sich tragen, drei blühende Pflanzen sind im Eigenanbau gestattet, und seit dem 1. Juli darf man Mitglied einer Anbauvereinigung sein. Das Ampel-Gesetz zur Cannabis-Entkriminalisierung erntete viel Kritik. Handwerklich blieb einiges fragwürdig. Etwa wieso der Besitz von Cannabis schon Monate vor der Gründung erster Anbauvereinigungen erlaubt wurde. Cannabis-Befürworter kritisierten vor allem das Fehlen eines kommerziellen Marktes. Für Gelegenheitskonsument*innen sei weder der Eigenanbau noch die Mitgliedschaft in einer Anbauvereinigung attraktiv.
Rückblick: Seit dem ersten April 2024 ist es Erwachsenen in Deutschland erlaubt, 50 Gramm Cannabis zu besitzen, drei blühende Pflanzen sind im Eigenanbau gestattet und seit dem ersten Juli darf man Mitglied einer Anbauvereinigung werden. Das Ampel-Gesetz zur Cannabis-Entkriminalisierung erntete viel Kritik. Handwerklich blieb einiges fragwürdig. Etwa wieso der Besitz von Cannabis schon Monate vor der Gründung erster Anbauvereinigungen erlaubt wurde. Cannabis-Befürworter kritisierten vor allem das Fehlen eines kommerziellen Marktes. Für Gelegenheitskonsument*innen sei weder der Eigenanbau noch die Mitgliedschaft in einer Anbauvereinigung attraktiv.
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Nun, rund um den ersten Jahrestag der Entkriminalisierung und parallel zur Vorstellung von allerlei Polizeistatistiken, gibt es wieder zahlreiche politische Äußerungen zum Thema. Konservative Politiker*innen verwiesen darauf, dass Anbauvereinigungen und Eigenanbau den Bedarf von Konsument*innen nicht stillen könnten. Der Schwarzmarkt werde durch die großzügige Menge von 25 Gramm Cannabis, die alle Erwachsenen bei sich tragen dürfen, beflügelt. Cannabis-Befürworter*innen kritisieren besonders, dass die Erteilung von Genehmigungen für Anbauvereinigungen schlecht läuft. In Bayern hat bislang kein Cannabis-Club eine Lizenz erhalten. Auch in anderen Bundesländern ist die Erteilung von Genehmigungen schleppend gelaufen. Nur wenige Clubs haben bislang die erste Ernte an Mitglieder ausgegeben. Die Zahl der polizeilich erfassten »Rauschgiftkriminalität« ging im vergangenen Jahr in allen Bundesländern zurück. In Nordrhein-Westfalen sank die Zahl der Delikte um 34 Prozent. In den Stadtstaaten Hamburg und Bremen ging die Zahl der Delikte um über 40 Prozent zurück.
Was heißt das alles für die Koalitionsverhandlungen? Das ist schwer zu sagen. Thorsten Frei, enger Vertrauter von Friedrich Merz, ließ schon Ende Februar auf eine Frage bei der Plattform abgeordnetenwatch.de durchblicken, dass Cannabis nicht zu den Schwerpunkten bei den Koalitionsverhandlungen gehören werde.
Was ist also zu erwarten? Georg Wurth vom Deutschen Hanfverband will gegenüber »nd« keine »detaillierten Worst-Case-Szenarien in die Welt setzen«, es gäbe viele Möglichkeiten, das Cannabisgesetz zu verschärfen. Im Wahlkampf habe die Union »polemisiert«, ohne konkrete Änderungsforderungen zu nennen. Medial werde vielfach die einfache Verschreibung von medizinischem Cannabis kritisiert. Von Polizeigewerkschaften gebe es Kritik an der 25-Gramm-Grenze und zu wenig Kontrollmöglichkeiten gegenüber dem Eigenanbau und den Vereinigungen. »Wir halten das alles für aufgeblasene Pseudoprobleme und hoffen, dass gar keine Rückschritte vereinbart werden«, so Wurth. Außerdem verweist der Geschäftsführer des Hanfverbands auf die Evaluierung des Cannabisgesetzes. Mit einem ersten Bericht ist im Oktober zu rechnen. Nach zwei Jahren soll das gesamte Gesetz evaluiert werden.
Was gäbe es aus Sicht des Hanfverbands zu verbessern? Wurth sagt, viele Details müssten »realitätstauglicher« werden, etwa die niedrige Maximalmenge im Eigenanbau oder die Überregulierung der Anbauvereinigungen. Am wichtigsten sei es aber, das Fehlen von Cannabis-Fachgeschäften für Erwachsene zu beheben. In vielen Städten gebe es Anträge für wissenschaftlich begleitete Modellprojekte. »Die neue Regierung sollte den Mut haben, diese Projekte zu genehmigen«, fordert Wurth.
Michael Greif, Geschäftsführer des Branchenverbands der Cannabis-Wirtschaft sieht das ähnlich. »Am wichtigsten ist einerseits die Genehmigung von wissenschaftlichen Modellprojekten zur regulierten Abgabe von Genuss-Cannabis, um den Schwarzmarkt wirkungsvoller zurückzudrängen und wertvolle Erkenntnisse zu gewinnen«, erklärt der Cannabis-Wirtschaftsvertreter gegenüber »nd«. Für Greif ist außerdem wichtig, dass ein Nutzhanfliberalisierungsgesetz verabschiedet wird. Es würde viele »Klarstellungen« enthalten, die den Handel mit Nutzhanf vereinfachen würden.
In Bezug auf die Koalitionsverhandlungen befürchtet Greif eine komplette Rücknahme der Reformen aus dem vergangenen Jahr und warnt vor den Folgen. »Das würde Arbeitsplätze und Steuereinnahmen in Deutschland kosten, unsere Importabhängigkeit erhöhen und zu Schadenersatzansprüchen in Millionenhöhe gegen den Staat führen. Wir hoffen, dass es nicht so weit kommt«, so der Geschäftsführer des Branchenverbands. Für denkbar hält Greif auch, dass es »lediglich zu Einschränkungen oder strengeren Kontrollen zum Beispiel bei der telemedizinischen Verschreibung kommt«. Wie es wirklich weitergeht, wird wohl erst der endgültige Koalitionsvertrag zeigen.
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