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Aequinox-Festival: Alte Musik, neue Sparkommissare
Das Aequinox-Festival für Alte Musik in Neuruppin feierte in schwierigen Zeiten seine 15. Ausgabe
Wenn man ein Jubiläum zweimal begehen kann, ist das eigentlich eine schöne Sache. Auch wenn man die Ursache dafür lieber nicht erlebt hätte. So geschehen bei Aequinox, den Musiktagen zur Tag- und Nachtgleiche im brandenburgischen Neuruppin. 2010 aus der Taufe gehoben, sollte im letzten Jahr das 15. Mal gefeiert werden. Aber Corona machte einen Strich durch die Rechnung – der Jahrgang 2020 musste abgesagt werden, er fiel dem ersten großen Lockdown zum Opfer. Also wurden letztes Jahr 15 Jahre Aequinox gewürdigt, und dieses Jahr gab es das 15. Festival. Ein Fest der Barockmusik mit Ausflügen in alle möglichen künstlerischen Richtungen ist es sowieso immer, egal mit welcher Nummer.
Allerdings: Die großen Weltkrisen hinterlassen Spuren auch im Kulturbetrieb. Erst Corona, dann der Krieg in der Ukraine und die damit verbundenen Teuerungswellen, das reißt Lücken. Die Macher von Aequinox – ein Förderverein um die kulturbesessene frühere Hotelbetreiberin Gabriele Lettow und das Berliner Barockensemble Lautten Compagney als Haus- und Hofkapelle – hatten noch Glück, denn sie haben seit 2010 kontinuierlich ein äußerst anhängliches Stammpublikum über die Region hinaus aufgebaut und bei Laune und Interesse gehalten. Das funktioniert, weil das Programm jedes Jahr Überraschungen bereithält, selbst alteingesessene Neuruppiner ihre Stadt immer wieder von neuen Seiten kennenlernen und sich manchmal sogar ein Weltstar die Ehre in der Fontane-Stadt gibt.
So wie in diesem Jahr Rolando Villazón, gefeierter Tenor auf vielen großen Bühnen, der eigentlich für Paraderollen in italienischen Opern bekannt ist. Hier interpretierte er Werke von Claudio Monteverdi und anderen Komponisten des frühen Barock. Nicht der gelernte Sänger für Musik dieser Epoche, aber mit einer Hingabe und Begeisterungsfähigkeit, die bis in die letzte Reihe des Zuschauerraums trug. Wie überhaupt Festivaljahrgang Nummer 15 erfreulich stark besucht war. Ob in großen Kirchen, kleinen Kapellen oder dem Atelier eines Malers, ob bei Monteverdi, Bach, Palestrina oder Buxtehude, ob intimes Trio oder großes Aufgebot mit Chor und Orchester – überall waren die Säle voll.
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Was eine gute Nachricht ist, aber nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass Kultur insgesamt einen zunehmend schweren Stand hat. Schon in der Coronazeit gaben nicht wenige Künstler auf, egal welcher Kunstrichtung, schlicht, weil sie damit nicht mehr ihren Lebensunterhalt verdienen konnten. Auch in der Alten Musik. Man hörte von Musikern, die sogar ihre Instrumente verkauften.
Wohl schlimmer als die Corona-Auflagen, die irgendwann vorbei waren, sind die finanziellen Einschränkungen, denen der Kulturbereich schon jetzt unterworfen ist und erst recht entgegensehen muss. In der von Olaf Scholz ausgerufenen und von Friedrich Merz forcierten Zeitenwende gehen astronomische Summen in Rüstungsprogramme. Der Druck auf die Finanzpolitik wächst über die Schuldenbremse. In solchen Zeiten ist die Kultur meist ein erstes leichtes Opfer der Sparkommissare. »Kanonen statt Konzerte« heißt der Marschbefehl.
Zumal dann, wenn wie in Berlin mit Senator Joe Chialo jemand für die Kultur zuständig ist, der ohne nennenswertes Rückgrat und ohne Plan durch die finanzpolitischen Kämpfe taumelt. Schon im Herbst 2023 sah sich die Lautten Compagney mit einer rigiden Kürzung der versprochenen Projektmittel konfrontiert – sie wurde nach lautstarkem Protest freier Künstler wieder zurückgenommen. Doch das Drama geht weiter. Der Berliner Senat bastelt Sparhaushalte, und der Kultursenator verteidigt nicht sein Revier, sondern die Kürzungsorgie, die für die nächsten zwei, drei Jahre angekündigt ist.
Die Ungewissheit, was das alles konkret heißt, bekommt die Lautten Compagney zu spüren. Mancher etablierte Kooperationspartner weiß nicht, welche Projekte in absehbarer Zeit noch finanziert werden können. Das Eis wird dünner. Kultur, das sind eben nicht nur die wenigen großen öffentlich finanzierten Einrichtungen, sondern auch, vielleicht sogar vor allem die vielen Künstler und Ensembles der freien Szene, die keine dauerhafte Absicherung haben, die sich von einer Projektfinanzierung zur nächsten hangeln und unter schwierigen Bedingungen Immenses leisten. Da droht etwas verloren zu gehen, das wichtig ist für den Zusammenhalt der Gesellschaft. Wer weiß, vielleicht ist Chialo bald Kulturstaatsminister in der Bundesregierung. Eine gute Nachricht wäre das wohl nicht, denn auch im Bund finden Verteilungskämpfe statt, bei denen die Kultur einen starken Interessenvertreter gut gebrauchen könnte.
Das Aequinox-Festival in Neuruppin konnte sich für dieses Jahr noch auf die Unterstützung aus der Stadt, dem Kreis, vom Land und vom Bund verlassen, sagt Organisatorin Gabriele Lettow. Auch die Sparkasse hat wieder ihren Teil beigesteuert. Aber manche Unternehmen aus der Region drehen inzwischen jeden Euro dreimal um, wenn es um Sponsoring geht; sie müssen mit den gestiegenen Preisen für Energie und Rohstoffe klarkommen.
Insofern war es eine ziemlich kühne Ansage, jetzt schon das nächste Festival im Programmheft anzukündigen: 20. bis 22. März 2026. Trotz Zeitenwende und allem. Vielleicht nach dem Motto: Jetzt erst recht. Ein paar erfreuliche Konstanten müssen ja schließlich auch sein.
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