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Feministische Lyrik in Baggy Pants
Satirikerin Ella Carina Werner dichtet Womansplaining gegen das Patriarchat
Nun also ein Gedichtband von Ella Carina Werner. Die Satirikerin aus Hamburg ist ja publizistisch schon schön herumgekommen: Ko-Erfinderin des komischen Literatureventformats Diary Slam, bei dem Freiwillige sich und dem Publikum ihre peinlichsten Passagen aus eigenen Tagebüchern aus Jugendzeiten vorlesen. Lesebühnenautorin. Redakteurin des »Exot«. »Wahrheit«-Autorin bei der »Taz«. Frühe Entdeckung als Romanautorin bei großen Verlagen. Etablierung als Autorin und festes Redaktionsmitglied des besten deutschen Satire-Magazins »Titanic«. Durchbruch als Kurzgeschichtenautorin beim Indieverlag Satyr. Übernahme der großen »Titanic«-Kolumne vom larmoyanten Heinz Strunk – als erste Kolumnistin überhaupt. Ko-Herausgeberin der gefeierten feministisch-humoristischen Kurztext-Anthologie »Niemand hat die Absicht ein Matriarchat zu errichten«. Ko-Herausgeberin der »Titanic«. Fortsetzung des Erfolges als Kurzgeschichtenautorin mit dem Band »Man kann auch ohne Kinder keine Karriere machen« bei Rowohlt. Die Satirikerin ist längst reif für den Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor, den Nieheimer Schuhu und was sich sonst in Deutschland an humoristischen und satirischen Ehren verleihen ließe. Und nun also Lyrik.
Wer an eine gewagte literarische Metamorphose, eine Neuerfindung der Werner als anspruchsvolle Lyrikerin denkt, sieht sich getäuscht – zum Glück. Ihr erstes lyrisches Werk, der Titel lässt es erahnen, ist wenig verklausuliert, kunstvoll gewebt, Interpretation bildungsbürgerlichen Kanons. »Der Hahn erläutert unentwegt, der Henne wie man Eier legt« – schon der Titel reimt sich, ist problemorientiert, schnörkellos, konzise, voll auf die Zwölf und sehr lustig. Und so auch die Werner’schen Gedichte. Angefangen hatte die Produktion lyrischer Feminismusverse in Social Media. Auf Instagram begann Ella Carina Werner in verlässlicher Frequenz »Feministische Tiergedichte« zu posten, die sich alsbald großer Beliebtheit und feixender Zustimmung unter Freund*innen satirischer Vergackeierung des Patriarchats erfreuten. Und auch wenn Werner zuvor, soweit bekannt, nicht gedichtet hat, so kommt doch ihre schriftstellerische Qualität, nahe der Quadratur des Kreises, nämlich eine sehr eindeutig sozialrevolutionäre, feministische Botschaft zu senden, vor Derbheit nicht zurückzuschrecken, aber die ass-kickin’ Satireansage immer irgendwie hübsch humorvoll zu verpacken, in dieser Lyrik voll zur Geltung.
Der erste Gedichtband von Ella Carina Werner ist subversive bis offensiv sektkorkenknallende Absage an das Patriarchat.
Die Verse sind bar allen überflüssigen Zierrats, einbettenden Storytellings, manierierten Spiels mit Formen, subtilen Subtextens. Die kurzen bis sehr kurzen Reimgedichte schildern archetypische Kommunikations- oder Konfliktsituationen der Geschlechter, in denen das patriarchale Machtgefälle deutlich wird. Es finden sich Gedichte zu nahezu allen denkbaren Konstellationen oder Zusammenhängen, in denen frau nicht zu ihrem Recht kommt oder ihren Anspruch zu realisieren gehindert wird: Selbstbestimmte Reproduktion, die Rentenlücke von Menschen in Care-Arbeit, guter Sex, Bodyshaming, sogar Gewalt in Beziehungen wird bedichtet, Karriere oder einfach das Gespräch.
Werners Gedichte machen klar, und zwar glasklar, dass Frauen dieselben Rechte und Bedürfnisse haben wie Männer, auch und gerade Bedürfnisse und gern auch egoistische und unangemessene. Im Stile lyrischen Womansplaining werden in diesem Gedichtband, den Juliane Pieper in grelle Farben getaucht und mit schön protzigen Zeichnungen feministischer Tiere veredelt hat, Kalendersprüche dargeboten, die das Zeug haben, als nahezu universelle Codes des Antimackertums tradiert zu werden. Mit Versen aus diesem Buch lassen sich Erfahrungen auf das Wesentliche kondensieren, patriarchale Muster parodieren und umdrehen, frau, queer people und alliierte männliche Feministen nicken sich wissend zu, wenn sie Ella Carina Werner zitieren: »Der Ruhm des Elchs erfreut die Elchin / doch lieber hat sie selber welchen.«
In diesem Sinne gerät auch das kluge Nachwort der Autorin selber, in dem sie reflektiert, dass der Feminismus weit mehr ist, als Kampf um die Rechte von Frauen, nämlich »Infragestellung von gesellschaftlichen Hierarchien und Rollenerwartungen zwischen Menschen allgemein«. Der erste Gedichtband von Ella Carina Werner ist subversive bis offensiv sektkorkenknallende Absage an das Patriarchat, empörend für die Bornierten, empowernd für die Progressiven, und ein feministischer Spaß in gereimten Baggy Pants. Die Komische Lyrik in Deutschland hat endlich eine weibliche Stimme – eine, die nicht flüstert, sondern raushaut, was Sache ist: »Leider denkt Frau Hermelin, beim Geschlechtsakt nie an ihn / sondern fieberhaft an die Weltherrschaft.«
In diesem Sinne, Freund*innen des Humors und der guten Sache: Schenkt euch dieses Buch und seid mit euch im Reinen: »Die Eule liebt sich, wie sie ist / Anarcho-Punk und Antichrist«.
Ella Carina Werner: Der Hahn erläutert unentwegt der Henne, wie man Eier legt. Kunstmann, 160 S., geb., 22 €.
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