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Neue Abhängigkeiten beim Saatgut in Afrika
Anlage in Sambia soll Millionen Kleinbauern versorgen. Der versprochene Nutzen vor Ort ist fragwürdig
Bill Anderson will »den Hunger auf der Welt bekämpfen«. So zumindest äußerte sich der Vorstandsvorsitzende der Bayer AG anlässlich der Eröffnung einer Maissaatgutanlage im sambischen Kambwe. Sie soll in dem südafrikanischen Land den Angaben zufolge absehbar 6,4 Millionen Kleinbäuer*innen mit Saatgut versorgen. Geplant sei, mit einer höheren Produktivität die Ernährungssicherheit und Lebensgrundlagen der Menschen, ihrer Familien und Gemeinden zu verbessern. Die Anlage ist Teil eines Netzwerkes für die Saatgutproduktion in der Region. Bis 2030 sollen 21,5 Millionen Kleinbäuer*innen in Afrika und weltweit sogar 100 Millionen Menschen vom Bayer-Engagement profitieren.
Nachdem der Konzern in den USA jüngst zu einer Strafzahlung von 2,1 Milliarden US-Dollar wegen des Einsatzes des Pestizids Roundup verurteilt wurde und mehrere Jahre hintereinander Verluste verbuchte, kommt diese Geschäftsidee wie gerufen. Mit der Anlageneröffnung in Sambia stiegen sogleich die Aktienkurse. Den Anleger*innen gefällt es, wenn auf einem von multinationalen Unternehmen umkämpften Agrarsektor ein Marktanteil mit absehbar hohen Umsätzen erwartet wird.
Eigentlich hatte sich Bayer vom Kauf des US-Unternehmens Monsanto größere Erfolge versprochen, holte sich stattdessen einen juristischen Dauerbrenner ins Boot. Denn das von Monsanto entwickelte krebserregende Glyphosphat führt zu nicht endenden Klagen. Ärger hat Bayer auch mit einer OECD-Beschwerde wegen systematischer Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden. Der Vorwurf: Der Konzern fördere in Südamerika ein Agrarmodell, das zu Nahrungsunsicherheit, Wasserknappheit, extremer Abholzung, Biodiversitätsverlusten, gravierenden Gesundheitsauswirkungen und Landkonflikten zwischen indigenen und bäuerlichen Gemeinschaften führe.
Auch die Saatgutanlage könnte zumindest für Sambia ein schlechter Deal werden. Bayer vermarktet mit dem Tochterunternehmen Crop-Science weltweit hochgefährliche Pflanzenschutzmittel. Gerade große Maismonokulturen sind anfällig für Pflanzenkrankheiten. Schon jetzt wird das Saatgut am neuen Standort mit Pestiziden gegen Insekten und Pilze behandelt.
Mais gehört zu den Grundnahrungsmitteln der sambischen Bevölkerung. Zunehmend wird es jedoch auch als Futtermittel eingesetzt, da sich Prognosen zufolge bis 2050 die Nachfrage nach Fleisch in ganz Afrika vervielfachen könnte. Das wird absehbar den Flächenverbrauch für Futterpflanzen und den Absatz von Saatgut erhöhen. Mais benötigt auch viel Wasser. Nach Angaben von Bayer werden etwa 80 Prozent der Fläche, die die Landwirte zum Anbau des Saatgutes nutzen, derzeit bewässert. Die weltweiten Klimaveränderungen führen aber auch hier öfter zu langanhaltenden Dürren, die auch die künstliche Bewässerung erschweren. Der Kariba-Stausee, der viele Menschen auch mit Strom versorgt, hatte im vergangenen Jahr zeitweilig nur noch sechs Prozent seiner nutzbaren Kapazität. Die entwaldeten und degradierten Böden halten kaum noch das Wasser, wenn es regnet.
Und was ist mit den in Aussicht gestellten Arbeitsplätzen? Gerade einmal 80 Menschen will der Konzern in der Saatgutanlage fest anstellen. Die 100 temporären Arbeitskräfte, so Bayer, seien »vollwertige Teammitglieder« und würden »über einen Dienstleister eingestellt und nach lokalem Industriestandard vergütet« werden. Vollwertig bedeute, so Bayer auf Nachfrage, dass sie »gleichwertig an Entscheidungsfindungsprozessen, Feiern teilnehmen« und »selbstverständlich auch dieselben Einweisungen, Ausrüstung, etc.« bekommen. Über die Arbeitsverträge der etwa 15 000 lediglich saisonal beschäftigten Menschen, die das Saatgut auf »mehreren Tausend Hektar in verschiedenen Provinzen des Landes« vermehren, äußerte sich Bayer nicht.
Vermutlich verfährt der Konzern nach bekanntem Strickmuster: Weitestgehend rechtlose Landarbeiter*innen und eine ohnehin geschundene Umwelt werden für die Profite einer börsennotierten Holdinggesellschaft ausgebeutet. In einem Land, in dem fast 60 Prozent der Bevölkerung extrem arm ist, werden neue Abhängigkeiten geschaffen: Das Hybridsaatgut muss Jahr für Jahr neu gekauft werden. Da der Mais schon nach der ersten Generation seine propagierte Trockenheitsresistenz verliert, macht es für die Landwirt*innen keinen Sinn, ihn selbst zu vermehren.
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