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Angriff auf Lahav Shapira: Angeklagter legt Geständnis ab
Prozess nach Angriff auf jüdischen Studenten beginnt
Der Angriff auf den jüdischen Studenten Lahav Shapira hat weit über Berlin hinaus Empörung ausgelöst. Mehr als ein Jahr später begegnen sich Opfer und Täter vor Gericht wieder. Der angeklagte Ex-Kommilitone gestand die Gewalttat und bat um Vergebung. Den Vorwurf eines antisemitischen Motivs für sein Handeln wies der 24-Jährige jedoch zurück. Die Anklage wirft ihm gefährliche Körperverletzung vor. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass antisemitische Motive der Grund für den Angriff auf den inzwischen 32 Jahre alten Shapira waren. Aus ihrer Sicht steht die Tat im Kontext der aufgeheizten Stimmung an der Freien Universität (FU) Berlin nach dem Terroranschlag der islamistischen Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023.
»Es tut mir sehr leid«, sagte der 24-Jährige zum Prozessauftakt vor dem Amtsgericht Tiergarten. Der Vorfall belaste ihn. »Es ging mir nicht um Politik, sondern um das Miteinander unter Kommilitonen«, sagte der frühere FU-Lehramtsstudent. »Er hat mich freundlich angesprochen und zugeschlagen«, schilderte Shapira vor Gericht. »Er hat Plakate angesprochen, bei denen es darum ging, Israel auszulöschen.« Der 32-Jährige tritt in dem Verfahren als Nebenkläger auf und wurde als erster Zeuge vernommen. Angeklagter und Opfer begegneten sich am 2. Februar 2024 in einer Bar in Berlin-Mitte, wie der 24-Jährige vor Gericht angab. Als Shapira das Lokal verlassen habe, sei er ihm gefolgt. Nach Angaben des Angeklagten hielt er Shapira dessen Agieren in einer Whatsapp-Gruppe von Studierenden der FU vor und dass dieser Plakate an der FU abgerissen habe.
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Laut Anklage wurde der jüdische Student von seinem früheren Kommilitonen mit der Faust niedergeschlagen. Als er blutend am Boden lag, folgte mit voller Wucht ein Tritt ins Gesicht. Der 32-Jährige erlitt dabei eine komplexe Mittelgesichtsfraktur und eine Hirnblutung.
Es seien mehrere Operationen erforderlich gewesen, die Nase sei komplett neu gerichtet worden, er habe Metallplatten im Gesicht gehabt, schilderte Shapira. Er habe sich »mehrere Wochen zu Hause einschließen« müssen. Nach dem Angriff habe er einen Personenschutz engagiert, sagte Shapira. Der Angeklagte gab vor Gericht an, er habe seine Kampfsporterfahrung unterschätzt. Er habe die Fassung verloren. Wie er sagte, habe er sich inzwischen selbst exmatrikuliert an der FU. Nach dem Vorfall hatte er zunächst Hausverbot erhalten.
Der 24-Jährige bot an, dem Opfer ein Schmerzensgeld von zunächst 5500 Euro zu zahlen. Später wolle er weitere monatliche Zahlungen leisten. Sein Anwalt Ehssan Khazaeli wollte Shapira vor Gericht einen Umschlag mit Geld überreichen. Dies lehnte dessen Anwalt Sebastian Scharmer jedoch erst einmal ab. Er machte dabei deutlich, dass es ihm vorerst darum gehe, die Hintergründe für den Angriff auf seinen Mandanten aufzuklären.
Auch für das Gericht ist die Motivation für die Tat der zentrale Punkt des Verfahrens, wie Richter Sahin Sezer zu Prozessbeginn deutlich machte. Nach erster Einschätzung sei aus seiner Sicht eine Bewährungsstrafe bei einem antisemitischen Motiv auch unter »generalpräventiven Gesichtspunkten« kaum denkbar, sagte der Richter. Für den Prozess plante er zwei Verhandlungstage ein. Das Urteil könnte am 17. April gesprochen werden. dpa/nd
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