Roter Pfeil der AfD schwirrt ums Rathaus

Christian Bork könnte Bürgermeister von Templin werden, wenn er auch noch die Stichwahl gewinnt

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 5 Min.
Das Rathaus der rund 16 000 Einwohner zählenden Stadt Templin, in der Altkanzlerin Angela Merkel (CDU) aufgewachsen ist.
Das Rathaus der rund 16 000 Einwohner zählenden Stadt Templin, in der Altkanzlerin Angela Merkel (CDU) aufgewachsen ist.

Noch nie wurde in Brandenburg ein AfD-Kandidat zum hauptamtlichen Bürgermeister oder Landrat gewählt. In Jüterbog (Teltow-Fläming) war Arne Raue 13 Jahre lang parteiloser Bürgermeister, bevor er Ende 2024 in die AfD eintrat – und nun ist er dort schon wieder nicht mehr der Rathauschef, weil er am 23. Februar ein Bundestagsmandat gewann.

In Stichwahlen sind AfD-Kandidaten schon oft vorgedrungen, sind dann aber in Brandenburg bisher noch jedes Mal abgefangen worden. Den nächsten Versuch hat am 4. Mai im uckermärkischen Templin Christian Bork. In der ersten Runde der Bürgermeisterwahl am 6. April bekam der AfD-Stadtverordnete 31,4 Prozent der Stimmen.

Auf Platz zwei landete Christian Hartphiel (SPD) mit 27,4 Prozent. Den Abstand von vier Prozentpunkten auf Bork kann der Mitarbeiter der SPD-Landtagsabgeordneten Annemarie Wolff bei der Stichwahl am 4. Mai aufholen. In ähnlicher Konstellation haben andere schon größere Rückstände auf die AfD wettgemacht. Denn Wähler von bereits in der ersten Runde der Bürgermeisterwahl ausgeschiedenen Kandidaten tendieren in Stichwahlen erfahrungsgemäß dazu, dann die verbliebene Alternative zur AfD anzukreuzen – und das wäre im vorliegenden Fall Sozialdemokrat Hartphiel.

Sieht man sich das Ergebnis der Bundestagswahl vom 23. Februar an, überrascht es, wie nah Hartphiel schon am vergangenen Sonntag an Bork herangekommen ist. Denn bei der Bundestagswahl bekam die AfD in Templin 33,4 Prozent der Stimmen, die SPD mit 14,6 Prozent weniger als halb so viel. Doch bei Bürgermeisterwahlen ist der persönliche Faktor entscheidender als bei allen anderen Wahlen in Deutschland.

»Die Templiner kennen mich und ich kenne sie«, hatte Christian Bork nicht von ungefähr bereits im Januar gesagt, als ihn seine Partei einstimmig nominierte. »Natürlich trete ich als Bewerber der AfD an«, räumte er da immerhin noch ein. »Als Bürgermeister werde ich mein Amt aber gänzlich neutral ausüben«, kündigte der 42-Jährige für den Fall der Fälle an. »Alles, was die Stadt und ihre Bürger voranbringt, wird meine Unterstützung finden, unabhängig davon, aus welcher politischen Richtung ein Vorschlag kommt.«

Der Bevölkerung bekannt ist Bork aus seinen Kiosken. In einem davon sei er täglich persönlich anzutreffen, hat er im Wahlkampf mitgeteilt. Auf seiner Internetseite christianborkfuertemplin.de steht kein Wort davon, dass er der AfD angehört. Lediglich der dort allerdings völlig isoliert gezeigte rote geschwungene Pfeil aus dem Parteisymbol gibt Eingeweihten einen Fingerzeig. Die von Bork angeführten kommunalpolitischen Ziele fallen nicht aus dem Rahmen und könnten so auch von anderen Parteien stammen.

Selbst beim Thema Asyl und Integration gibt sich Bork für AfD-Verhältnisse soft. »Politisch Verfolgte haben ein Recht auf Asyl«, gesteht er zu. »Gleichzeitig ist es wichtig, die Herausforderungen der illegalen Einwanderung klar zu benennen.« Das aber sagen heute Christ- und Sozial- und Freie Demokraten ungefähr genauso. »Ich werde Integrationsbemühungen unterstützen«, verspricht Bork, »dem Missbrauch des Asylrechts jedoch entschieden entgegentreten.«

Ohnehin hat ein Bürgermeister da praktisch fast keine Handhabe. Die Ausländerbehörden sind bei den Landkreisen angesiedelt, und das Asylrecht liegt in der Verantwortung des Bundestags. Das bedeutet allerdings nicht, dass es völlig egal wäre, ob Christian Bork Bürgermeister wird oder nicht. »Sollte er die Wahl gewinnen, könnte er durch gezielte Haushaltspolitik insbesondere Projekte im Bereich der interkulturellen Verständigung und der demokratischen Bildungsarbeit deutlich einschränken oder ganz zum Erliegen bringen«, schätzt die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes VVN-BdA ein. »Dies betrifft zum Beispiel das Multikulturelle Centrum, dessen Finanzierung die AfD bereits in der Vergangenheit drastisch kürzen wollte und das nun erneut ins Visier geraten könnte.« Die VVN-BdA wirft dem Kandidaten Bork in einer Pressemitteilung vor, er sei »ideologisch tief in extrem rechten Strukturen verwurzelt« und habe sich offen mit der mittlerweile aufgelösten Jungen Alternative identifiziert, die vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft war.

Der Posten des Templiner Bürgermeisters ist vakant. Amtsinhaber Detlef Tabbert war 2024 von der Linken zum BSW übergetreten und im Dezember zum brandenburgischen Infrastrukturminister ernannt worden. Als sein Nachfolger im Rathaus hatte sich nun auch der Stadtverordnete Stefan Hennig beworben – als gemeinsamer Kandidat des BSW-nahen Bürgerbündnisses für Vernunft und Gerechtigkeit und der »Wählergemeinschaft den Bürgern verpflichtet«. Er schied mit 17,8 Prozent als Drittplatzierter in der ersten Wahlrunde aus.

Ebenfalls ausgeschieden sind Gordon Beyer (CDU) mit 16,9 Prozent und die Einzelbewerberin Cornelia Lambrecht-Süßenbach mit 5,5 Prozent. Lambrecht-Süßenbach gehört als Parteilose der Linksfraktion im Kreistag an. Lediglich 1,1 Prozent entfielen am Sonntag auf Andreas Wolk von der Spaßpartei des EU-Abgeordneten Martin Sonneborn.

Für den AfD-Landesvorsitzenden René Springer geht es bei der Stichwahl am 4. Mai um mehr als nur einen Bürgermeister. »Es geht um die Frage: Weiter mit der gescheiterten Politik der Altparteien – oder endlich echte Veränderung mit der AfD?«

Um viel geht es auch nach Ansicht des Stadtverordneten Andreas Büttner (Linke). Er sagt: »In einer Zeit, in der die AfD mit Angst und Ausgrenzung punktet, brauchen wir einen Bürgermeister, der klar Haltung zeigt und unsere freiheitliche Ordnung verteidigt. Wer will, dass unsere Stadt menschlich, gerecht und weltoffen bleibt, muss jetzt Hartphiel wählen.«

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