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Bulgarien soll al-Khalidi freilassen
Linke und grüne EU-Parlamentarier setzen sich für saudischen Menschenrechtsaktivisten ein
Der Journalist und Menschenrechtsaktivist Abdulrahman al-Khalidi sitzt seit dreieinhalb Jahren im Gefängnis in Bulgarien – obwohl er einen Asylantrag gestellt hat, soll er nach Saudi-Arabien abgeschoben werden. Dagegen hat der 32-Jährige erfolgreich geklagt, die Behörden schalten jedoch auf stur. Eine Münchner Flüchtlingsaktivistin hat eine Petition mit inzwischen fast 10 000 Unterschriften gestartet, die vom Auswärtigen Amt ein humanitäres Visum für al-Khalidi fordert.
Nun hat die Linksfraktion im EU-Parlament eine Anfrage an die Kommission initiiert, der sich auch Abgeordnete der Grünen angeschlossen haben. Brüssel soll sicherstellen, dass Bulgarien internationale Verpflichtungen einhält, insbesondere das Verbot der Zurückweisung von Geflüchteten. In Saudi-Arabien drohten al-Khalidi Folter, willkürliche Inhaftierung und andere Menschenrechtsverletzungen.
Al-Khalidi floh 2013 aus Saudi-Arabien, nachdem er sich dort unter anderem für Gefangene eingesetzt hatte. Nach Aufenthalten in Ägypten und Katar lebte er mit seiner Frau und zwei kleinen Kindern zuletzt in der Türkei. 2021 vermied er es, zur Passverlängerung das saudische Konsulat in Istanbul aufzusuchen – den Ort, an dem drei Jahre zuvor der Journalist Jamal Khashoggi brutal ermordet wurde.
Unter anderem, weil er mit Khashoggi bekannt gewesen sei, wollte al-Khalidi in der EU Asyl beantragen. Beim irregulären Übertritt der türkisch-bulgarischen Grenze wurde er festgenommen. Die ein Jahr später erfolgte Ablehnung des Asylantrages von al-Khalidi begründete die bulgarische Flüchtlingsagentur mit einer angeblichen »Demokratisierung« Saudi-Arabiens – was Menschenrechtsorganisationen entschieden zurückweisen.
Im September 2023 hob der Oberste Verwaltungsgerichtshof die negative Asylentscheidung wegen Verfahrensfehlern auf und verwies den Fall an die untere Instanz zurück. Im Oktober 2024 verfügte das Verwaltungsgericht jedoch al-Khalidis unanfechtbare Abschiebung nach Saudi-Arabien. Am 26. März lehnte dasselbe Gericht auch seinen Asylantrag erneut ab. Dagegen hat al-Khalidi vor dem Obersten Verwaltungsgericht Berufung eingelegt – aus Sicht seines Anwaltes kann die Ausweisung deshalb nicht vollstreckt werden.
»Würde al-Khalidi nach Saudi-Arabien zurückgeführt, wären sein Leben und sein Wohlergehen ernsthaft in Gefahr.«
Mary Lawlor UN-Sonderberichterstatterin
Zweimal – zuletzt ebenfalls am 26. März – hat das Sofioter Verwaltungsgericht die sofortige Freilassung von al-Khalidi angeordnet. Der Inlandsnachrichtendienst blockiert die Umsetzung jedoch und begründet dies mit einer – nicht belegten – Gefahr für die nationale Sicherheit.
Die saudische Nichtregierungsorganisation ALQST for Human Rights weist darauf hin, dass nach dem ersten Abschiebebescheid hochrangige saudische Funktionäre in sozialen Medien über mögliche Strafen für den Aktivisten nach seiner Rückkehr sprachen. Besorgniserregend ist deshalb al-Khalidis Schilderung, wonach bei Verhören in Bulgarien ein saudischer Vertreter anwesend gewesen sei.
Bereits im vergangenen März forderten 20 internationale Menschenrechtsorganisationen in einem offenen Brief die Regierung in Sofia auf, al-Khalidis Ausreise in ein Drittland zu ermöglichen. Unterzeichner*innen wie Human Rights Watch, Front Line Defenders, die Internationale Föderation für Menschenrechte sowie ALQST for Human Rights drängen auch auf eine Untersuchung von Misshandlungen während seiner Haft, darunter Schläge durch Personal und die Verweigerung medizinischer Versorgung. Al-Khalidi hat dazu eine Beschwerde beim Europäischen Menschenrechtsgerichtshof eingereicht.
Auch Mary Lawlor, UN-Sonderberichterstatterin zur Lage von Menschenrechtsverteidigern, hebt in Stellungnahmen an Behörden in Bulgarien anhaltende Risiken für Aktivist*innen in Saudi-Arabien hervor. »Sie werden willkürlich festgenommen, gefoltert und misshandelt und erhalten langjährige Haftstrafen auf der Grundlage von Anklagen, die auf einem Missbrauch des Anti-Terror-Gesetzes beruhen«, sagte die Irin zu »nd«. Würde al-Khalidi dorthin zurückgeführt, »wären sein Leben und sein Wohlergehen ernsthaft in Gefahr«.
Zusätzlich zu der Anfrage an die Kommission haben die deutschen und italienischen EU-Parlamentarier*innen Özlem Demirel, Ilaria Salis und Mimmo Lucano einen Brief an den bulgarischen Innenminister Atanas Ilkov gerichtet. »Sollte es Vorwürfe gegen al-Khalidi geben, muss das in den Gerichten transparent behandelt werden«, sagte Demirel dazu dem »nd«.
Salis sieht in der geplanten Abschiebung von al-Khalidi eine Strafmaßnahme. »Europa ist aber nicht Trumps Vereinigte Staaten«, erklärt die mailändische Abgeordnete »nd«. Bulgariens Regierung könnte das anders sehen: Am Montag hat sich ihr Wirtschaftsminister zur Vertiefung der Beziehungen mit dem saudi-arabischen Botschafter getroffen.
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