»Wundbrand der Seele« endet oft tödlich
Deutsche Depressionshilfe will Patienten helfen und mit an den Krankheitsursachen forschen
In Deutschland leiden etwa vier Millionen Menschen akut unter einer behandlungsbedürftigen Depression – laut WHO eine der größten Volkskrankheiten überhaupt. Betrachtet man neben der Schwere der Beeinträchtigungen auch die Zahl der Erkrankungsjahre pro Bevölkerung, liegen Depressionen in den entwickelten Ländern an erster Stelle der psychischen und physischen Erkrankungen.
Eine Depression ist nicht zu verwechseln mit einer depressiven Verstimmung, so der Vorstandsvorsitzende der Stiftung, Prof. Dr. med. Ulrich Hegerl. »Depressionen sind häufig, verlaufen meist in wiederkehrenden Episoden, manchmal auch chronisch, gehen mit großem Leidensdruck einher und sind lebensbedrohlich. Der Leidensdruck der Betroffenen ist größer als bei jeder anderen Erkrankung, was sich darin ausdrückt, dass sehr viele in ihrer Verzweiflung versuchen, sich das Leben zu nehmen«. Jährlich werden 10 000 Suizide verzeichnet – mit einer dramatischen Zunahme bei älteren Männern – und ca. 100 000 Suizidversuche, die bei jungen Frauen gravierend angestiegen sind. Antidepressiva und Psychotherapie gelten als wirksame Behandlungsmethoden, die jedoch nur bei einer Minderheit konsequent genutzt werden und außerdem ihre positive Wirkung nicht sofort zeigen. Letztendlich sprechen nicht alle Patienten auf eine bestimmte Behandlung an. Depressionen können sowohl genetische als auch psychosoziale Ursachen haben. Deshalb möchte sich die Stiftung stark in die Ursachen- und Behandlungsforschung einbringen, beschreibt Hegerl das Anliegen. Holger Reiners, einer der Gründungsmitglieder und fast 20 Jahre selbst von der Krankheit betroffen, fügt noch hinzu: »Wir wollen den kranken Menschen helfen, wir wollen niemanden alimentieren, sondern alles dafür tun, dass die an Depression Erkrankten den Weg zurück ins Leben finden.« Nach seinen eigenen Erfahrungen bedeutet depressiv zu sein, »am Wundbrand der Seele zu leiden, wie an einer schlimmen Infektion mit oft tödlichem Ausgang«. Sein Appell an alle Angehörigen, die sich oft schwer tun mit der Krankheit, lautet, sich zurückzuziehen und nicht zu glauben, mit ihren gut gemeinten Ratschlägen der beste Therapeut zu sein, sondern die Behandlung Fachleuten zu überlassen. Ohne fachliche Betreuung hätte auch er keine Chance gehabt, doch die Behandlung hat sein Ich stabilisiert, das durch die Depression gleichsam ausgelöscht war. Aber, so Reiners, »man muss die Geduld beim Einnehmen der Medikamente aufbringen, braucht Erfolge, um ins Leben zurück zu finden und um wieder einen Willen zu bekommen«.
Die Experten stellten fest, dass manche Betroffene auch ohne akuten Auslöser auf die Stunde genau angeben können, wann die depressive Phase begann. Andere wieder kippen mit großer Regelmäßigkeit und im 24-Stunden-Rhythmus von der Depression in die Manie und wieder zurück. Die Erforschung dieser und anderer Verlaufs- und Kippphänomene will die Stiftung unterstützen. Dazu gehört auch, die Frage zu klären, wie vorhandene Behandlungsoptionen besser genutzt und Suizidalität vorgebeugt werden kann.
Das Universitätsklinikum Leipzig unterstützt die Stiftung mit 40 000 Euro. Als Schirmherr konnte TV-Entertainer Harald Schmidt gewonnen werden.
Stiftung Deutsche Depressionshilfe, Semmelweisstr. 10, 04103 Leipzig
Tel.: (0341) 97-24493, Fax: (0341) 97-24539
Internet: www.deutsche-depressionshilfe.de
E-Mail: info@deutsche-depressionshilfe.de
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