Innere Einheit kommt später
Bundeskanzlerin Merkel will die Wiedervereinigung bis zum Jahr 2019 vollenden
Die Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen stehen vor der Tür, und die CDU verliert in ihren ehemaligen ostdeutschen Hochburgen an Zustimmung. Um trotz der miesen Umfragewerte ein wenig gute Laune zu verbreiten, trafen sich die Christdemokraten am Dienstag unter dem Motto »20 Jahre Deutsche Einheit – Gemeinsam zukunftsfähig« in Weimar. Neben Kanzlerin Merkel waren auch die ostdeutschen CDU-Ministerpräsidenten Tillich, Böhmer und Althaus in die Klassikerstadt gereist, um das »Zusammenwachsen von Ost und West zu diskutieren«, wie es in einer Pressmitteilung hieß.
Dass auch 20 Jahre nach Vollzug der Einheit erheblicher Diskussionsbedarf besteht, beweist auch eine nun veröffentlichte Umfrage des sozialwissenschaftlichen Forschungszentrum Berlin-Brandenburg (SFZ) im Auftrag der Linkspartei. Während die CDU-Funktionäre in der Weimarhalle den geglückten Aufbau Ost feierten, verwies die LINKE-Bundestagsabgeordnete Gesine Lötzsch auf die wenig schmeichelhaften Ergebnisse der Befragung. »Wenn die Kanzlerin heute in Weimar eine Rede zur Deutschen Einheit hält, dann sollte sie wissen, was die Ostdeutschen über ihre Arbeit denken«, so die Linkspolitikerin. Laut Umfrage sind 77 Prozent der Ostdeutschen von ihrer Kanzlerin enttäuscht und wünschen sich ein stärkeres Engagement Merkels für die Belange des Ostens. In der Weimarhalle beschwor Merkel derweil eine frohe Zukunft: Bis 2019, so die Kanzlerin, müsse die Wiedervereinigung vollendet sein. Viele Ostbürger sind da pessimistischer. In der Umfrage meinten 41 Prozent der Bürger, dass die Einheit »nie verwirklicht wird«. Ebenso viele Ostdeutsche fühlten sich »von vielen Westdeutschen, die sie kennen, nicht verstanden«. Mehr als die Hälfte der Befragten vermisst einen »ausgewogenen und sachlichen Blick auf die DDR durch westdeutsche Politiker«.
Die Befragung scheint dem Psychotherapeuten Hans-Joachim Maaz recht zu geben. Der Bestsellerautor hatte in einem Interview des Magazins »Spiegel« festgestellt, dass »die reine Negativdarstellung der DDR« auf viele Ostdeutsche »nicht aufklärerisch« wirke. Die innere Einheit kommt also nicht voran. Wohl auch deshalb schwelgte die Kanzlerin am Dienstag in der Vergangenheit. Die Aufbruchstimmung des Jahres 1989, so die Kanzlerin, sei ein Ansatz, um die aktuelle Wirtschaftskrise zu bewältigen. Wenn die Bundesbürger demnächst die Zentralen der Großbanken stürmen und »Wir sind das Volk« skandieren, dann haben sie die Worte der Bundeskanzlerin beherzigt.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.