- Kultur
- Politisches Buch
Ein Umtriebiger
Gerd Walleiser zwischen BRD und DDR
Der 1921 geborene Autor war Journalist im »Dritten Reich«, in der Bundesrepublik, dann in der DDR und schließlich im vereinten Deutschland. Vom »Völkischen Beobachter« bis zum Berliner Rundfunk – alles dabei. Da könnte der Verdacht aufkommen, räumt Gerd Walleiser selbst ein, hier handele es sich um einen Schmock, wie in Gustav Freytags Lustspiel »Journalisten« (1853) der gesinnungslose Schreiber heißt, der sich jeder Zeitung, gleich welcher politischer Couleur, andient hat; Hauptsache, sie zahlt gut. Walleiser, der sich den Kunstnamen Bruno Schweizer zulegte, ist ungeachtet der recht zahlreichen Herren, in deren Dienst er über Jahrzehnte gewirkt hat, kein Schmock. Nicht nur, weil er es weder zu einer großen Karriere noch zu Reichtümern gebracht hat.
Der Krieg hatte für ihn im August 1945 geendet. Den in Potsdam beschlossenen Neuanfang beginnt der ehemaligen »Partei- und Pechgenosse« mit der Bereinigung seiner Biografie. Mit »Persilschein« ausgerüstet, geht es für ihn in Westberlin beim eben gegründeten sozialdemokratischen »Telegraf« weiter. Für das, was im Osten in den ersten Nachkriegsjahren geschieht, hat der »junge SPD-Genosse« wenig Sympathie.
Die unter »Bonner Notizen« beschriebenen Jahre sind zweifellos der interessanteste Teil seiner Erinnerungen. Einmal in der Darstellung jener Zeit, in denen sich die BRD laut heutiger Geschichtsschreibung zum »Bollwerk der Demokratie« entwickelte. Zum anderen im Hinblick auf die Wandlung des Chronisten hin zu einem Akteur. Die Wiederindienststellung faschistischer Militärs und Diplomaten, die Entstehung rechter Parteien, die Aktivierung der alten Antikommunisten und die Wiederaufrüstung – all dies nimmt er unter die kritische Lupe. Irgendwann wechselt er die »Feldpostnummer«, wird für die DDR das, was man einen »Einflussagenten« nennt, und zwar im revanchistischen »Bund der Heimatvertrieben und Entrechteten« (BHE)! »Gesamtdeutsche Arbeit« betreibt er dort für die DDR bis 1957. Die Bonner Republik sieht sein Tun als »Spionage« an und ahndet es mit 34 Monaten Gefängnis.
Nach Verbüßung dar Strafe wird er Bürger der DDR und verdient bis 1989 sein Brot beim Rundfunk. Diese Jahre waren erkennbar nicht die glücklichsten in seinem umtriebigen Leben. Der »freie Journalist« nun eingebunden etwa in eine Nachrichtenredaktion, in der es wenig Raum gibt für eigenschöpferisches Wirken – das ging nicht gut. Der Ton der Aufzeichnungen wird bitterer. Eine Zwischenüberschrift lautet: »Innere Emigration«. Dieses Buch ist keine einfache Kost, eine interessante Lektüre aber allemal.
Gerd Walleiser: So war das eben. Ab 1933 im Zickzack durch das Leben. Verlag im Park in der Edition Ost 2008. 620 S., br., 19,90 €.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.