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Bibliothek kontra Büchereien?
Berliner Parlamentarier streiten über den Kulturhaushalt / Wolfgang Brauer ist kulturpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus
ND: Der Kulturausschuss streitet gerade über den Etat. Müssen für die geplante Zentralbibliothek in den Bezirken Büchereien schließen?
Brauer: Dieser Vergleich ärgert mich entsetzlich. Dann könnte man auch fragen: Weshalb finanziert Berlin eine Musikhochschule, und was ist mit den kommunalen Musikschulen? Berlin hat eine Zentral- und Landesbibliothek. Es ist eine der wichtigsten Bibliotheken dieser Qualität in Deutschland – 5000 Besuchern täglich und drei Millionen Medien. Aber sie ist verteilt auf drei Standorte und in ein paar Jahren wahrscheinlich auf vier. Das ist extrem benutzerunfreundlich. Die Magazine platzen aus allen Nähten. Die Wege sind zu weit, die Bestände getrennt. Das muss zusammengeführt werden.
Was darf das kosten?
Da rechnen wir noch. Der Senat hatte 270 Millionen Euro in die Finanzplanung eingestellt. Wir denken, es lässt sich etwas günstiger bauen. Der Flughafen Tempelhof als Gelände ist in Ordnung. Entscheidend ist eine zentrale, verkehrsgünstige Lage. Es geht um eine Bibliothek für die Stadt und nicht für irgendwelche elitären Bedürfnisse.
Die neue Kunsthalle, die nur 30 Millionen kosten soll, könnte auch manche Bedürfnisse befriedigen.
30 Millionen sind die Summe, die das aus den Finanzplanungen gestrichene Bauhausarchiv kosten sollte – der Erweiterungsbau. Das ist schon ein Bubenstück, im Bauhausjahr das Bauhausarchiv zu streichen. Aber was soll dieses Kunsthallenprojekt überhaupt? Wir haben eine Vielzahl von Einrichtungen und Instituten, die aus Steuermitteln finanziert werden, die zeitgenössische Kunst präsentieren. Die Neue Nationalgalerie ist sicher Champions League. Wir haben aber auch die Berlinische Galerie, die Stiftung Stadtmuseum, das Haus am Waldsee, die Kunstwerke in der Auguststraße. Alle sind unterfinanziert.
Aber nicht einmal die 30 Millionen Baukosten wären das entscheidende Problem, nicht vermittelbar wären die vier Millionen Euro jährliche Betriebskosten. Das ist angesichts der Lage der anderen Einrichtungen Unsinn. Das macht man nicht, das ist einfach unanständig.
Dann stecken wir 30 Millionen lieber doch in Einrichtungen der Bezirke?
Grundsätzlich muss das Finanzierungssystem der Berliner Bezirke geändert werden. Sie geraten bei sogenannten freiwilligen Pflichtaufgaben wie soziokulturellen Angeboten im weitesten Sinne zunehmend an die Grenze des Machbaren.
Das kann ich jetzt aber nicht hochrechnen mit Investitionsmitteln, die auf Landesebene ausgegeben werden müssen. Hier entscheiden wir, ob Geld ausgegeben wird für glänzende Vorzeigeprojekte oder für eine nachhaltig wirkende Struktur.
Sollte Kultur vielleicht zentral geplant werden mit einem Etat, der über Bezirke und Land gleichermaßen verteilt wird?
Es ist immer gefährlich, Landeskultur gegen Kiezkultur auszuspielen. Es sind zwei völlig unterschiedliche Schuhe. Welche Art Kiezkultur vor Ort gefördert wird und welche nicht, muss in den Bezirken entschieden werden. Da ist eine Zentralisierung Unsinn. Andererseits ist es eine Katastrophe, dass es von 1999 bis 2008 einen Absturz der Zahl der öffentlichen Bibliotheksstandorte von 189 auf nur noch 85 gegeben hat.
Jetzt sitzt nun der Kulturausschuss und überlegt. Wird anschließend überhaupt jemand zufrieden sein können?
Nein.
Fragen: Klaus J. Herrmann
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