Historische Klangwelten

20. Tage für Alte Musik in Berlin

  • Liesel Markowski
  • Lesedauer: 3 Min.

Diesmal ein Jubiläum: Seit 20 Jahren gibt es nun das kleine bunte Musikfest im herbstlichen Berlin. Bewährt hat sich ein besonderes Flair historischer Klänge, wieder entdeckt oder wieder gespielt rund um den Gendarmenmarkt: Im Konzerthaus, in der Französischen Friedrichstadtkirche und in der St. Hedwigs-Kathedrale findet sich ein interessiertes Publikum zusammen, freundlich und offen für Unbekanntes oder auch Bekanntes. So auch diesmal. Für Zuspruch sorgte das vielseitige Angebot: Neben sechs Konzerten gab es Workshops, ein Kinderprogramm, vor allem aber den Internationalen Musikinstrumentenmarkt.

Den Veranstaltern vom Verein »Ars musica« ist mit besten Jubiläumsgrüßen für die Kontinuität zu danken und erfolgreiches Weitermachen zu wünschen. Auch wenn das Programm kein zentrales Thema hatte, eher etwas schmal wirkte, trotz internationaler Beteiligung. Musiken aus dem 15., 16/17. und 18. Jahrhundert waren zumeist neu zu entdecken.

Dazu gehörte auch Seltenes großer Meister wie Händels italienische Kantaten, die der junge Hallenser Komponist auf seiner mehrjährigen Bildungsreise im musikreichen Italien geschrieben hat. Adressaten waren Kardinäle, damals führende Kunstmäzene. Zu ihrer Unterhaltung ließen sie Weltliches komponieren – Liebesfreud und Liebesleid in instrumental begleitetem, dramatischem, immer virtuosem Gesang. Lockeres Amüsement scheint daher wesentlich für die Interpretation. Doch leider mangelte es gerade daran. Das italienische Instrumentalensemble »La Risonanza« wurde von seiner Solistin Yetzabel Arias Fernandez (Mezzosopran) dominiert: unausgeglichene Gesangskultur, forcierte Höhe, unscharfe Textartikulation und opernhafte Gestik verhinderten Leichtigkeit, Charme. Immerhin von der »Hauptdarstellerin« bei zwölf Dacapo-Arien nebst Rezitativen. Natürlich sind diese Kantaten kaum späteren Meisterwerken Händels vergleichbar. Doch man hätte sich bei aller Gleichförmigkeit mehr musikantische Lust gewünscht. Dass die Musiker von »La Risonanza) unter Fabio Bonizzoni über brillante Spielkultur verfügen, wurde bei einer instrumentalen Ouvertüre deutlich.

Äußerst erfreulich dagegen das Konzert mit dem polnischen Ensemble »La Tempesta«. Zwölf Sänger und zehn Instrumentalisten haben sich seit 1998 unter ihrem Dirigenten Jakub Burzynski zu Meisterinterpreten Alter Musik entwickelt. Werke aus dem 16., 17. Jahrhundert rücken uns in einem Spiel voller Impulsivität nahe, werden beim Hören gleichsam gegenwärtig. In durchdachter Folge erklangen vor allem Kompositionen von Claudio Monterverdi (1567-1643), Psalmen, zum Teil aus der berühmten Marienvesper, eingeleitet durch Giovanni Gabrielis (1556-1612) Orgel-Intonationen und eine Sonate für drei Violinen, schließlich vervollständigt mit Stücken des Polen Marcin Mielczewski (1600-1651), Monteverdi in eigener Meisterschaft nahestehend.

Das Wunderbare: Es wurden streng religiöse lateinische Texte lebenszugewandt vertont und entsprechend dargeboten. Burzynski, selbst auch Sänger, nähert sich dieser Musik mit straffer Energie, ja mit Leidenschaft. Da gibt es kein Nachlassen, vielmehr springt madrigaleske Power, Lebensfreude der Renaissance, unmittelbar auf den Hörer über.

Musiker und Sänger: glänzende gegenseitige Abstimmung und hinreißende Virtuosität im Wechselspiel von Stimmen und Instrumenten. Dazu vitale Klangpracht, wie man sie bei solcher Musik bisher kaum gehört hat. Hier war lustvolles Spiel beglückend präsent. Am schönsten vielleicht bei Gabrielis zarter Violinsonate, Monteverdis »Lauda Jerusalem« und Mielczewskis »Magnificat«, das die Polen mit spürbarem Selbstbewusstsein darboten. Gut, dass diese exzellenten Interpreten aus unserem Nachbarland dabei waren, Bravo, Bravissimo, enormer Berfall.

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