Nachhaltige Neubegegnung
Polnische Musik im Konzerthaus Berlin
Begrüßenswert, dass die Programmgestalter am Berliner Gendarmenmarkt über die Grenze zu unserem östlichen Nachbarn geblickt haben. »Musik aus Polen« stand jetzt auf dem Plan eines Konzertabends, der mit Eigenständigem aus der musikkulturellen Entwicklung des Landes bekannt machte: Stücke von Krzysztof Penderecki, Witold Lutoslawski und Mieczyslaw Karlowicz.
Eigentlich müsste es »wiederbekannt machen« heißen, denn auf dem Podium des Berliner Hauses ist zu DDR-Zeiten Polnisches oft geboten worden. Seltsamerweise scheint es inzwischen so gut wie verschwunden. Auf einen Neubeginn möchte man daher hoffen. Zumal polnische Komponisten im vergangenen Jahrhundert Wichtiges zur Neuen Musik beigetragen haben. Darum hat eine Neubegegnung, die jetzt eine solch nachhaltige war, umso mehr Gewicht.
Von Krzysztof Penderecki (geb. 1933), dem international anerkannten Meister, gab es das 2. Cellokonzert, 1983 von Mstislaw Rostropowitsch und den Berliner Philharmonikern unter Leitung des Komponisten uraufgeführt – nun von dem brasilianischen Cellisten Antonio Meneses und dem Konzerthausorchester unter Antonio Wit gespielt. In hinreißender musikantischer Perfektion erstand ein klingender Dialog zwischen Solo und Tutti, der das einsätzige Werk in seiner Fülle raffinierter Klänge und seiner eindrucksvollen Klangregie zu faszinierender Wirkung brachte. Ganz Hervorragendes leistete der Solist bei der atemberaubend schwierigen Virtuosität. Anspruchsvolle zeitgenössische Musik, die emotional ausstrahlt, aktuell geblieben ist. All ihre instrumentale Vielfalt scheint dem Boden europäischer Tradition in kühner Wandlung verbunden und daher dem Hörer zugänglich.
Witold Lutoslawski (1913-1994) gehört ebenso zu den international beachteten polnischen Komponisten. Auch er, bemüht um Eigenständigkeit des Polnischen in der Musik, suchte sich traditionsverbunden neue Gestaltungsweisen zu erobern. Bereits 1954 entstand sein »Konzert für Orchester« (nach dem Vorbild des gleichnamigen Werkes von Béla Bartók), das Intonationen einheimischer Folklore und vorklassische Satzstrukturen verbindet. Als reizvoll Zeitgenössisches an diesem Abend zu hören: Drei Sätze – »Intrada«, »Capriccio«, »Passacaglia, Toccata e Corale« – enthüllen wunderbare Klangkunst in einer großen orchestralen Palette. Locker und durchsichtig teilte sich eine Tonsprache mit, die kunstvoll und elegant sich auch zu grandiosen Steigerungen voller Temperament aufschwingt. Eine Tonsprache, die gleichsam alle Register zieht, ohne platt oder vulgär zu werden. Das Orchester in bravouröser Musizierlust.
Mit dem Ältesten der um Eigenes-Neues bemühten Polen wurde gewissermaßen Entwicklung deutlich: Mieczyslaw Karlowicz (1876-1909) strebte mit seiner Sinfonischen Dichtung »Stanislaw und Anna Oswiecim« Richard Strauss nach, dem deutschen Vertreter dieser Gattung. Allerdings erreichte er mit der klingenden Reflexion eines Gemäldes und der Legende tragischer Geschwisterliebe, verstanden als polnische Variante von »Romeo und Julia«, sein Vorbild keineswegs. Sicher ist das nachsichtig aus der historisch kulturellen Situation Polens in jener Zeit (studiert wurde im Ausland) zu verstehen. Die Aufführung galt dem hundertsten Todestag des Komponisten. Orchestrale Riesenbesetzung und vom Dirigenten stimulierte Überlautstärke, der somit fast erdrückende kompakte Satz und noch bombastische Steigerungen machten das Zuhören quasi zu einer Art Härtetest bei strahlender Klanghelle und dramatischer Intensität. Dennoch: freundlicher Beifall, denn die Musiker waren konzentriert bei ihrer Sache.
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