Nein zur Nötigung

  • Ingolf Bossenz
  • Lesedauer: 1 Min.

Kruzifix heißt das Balkenkreuz, an dem der geschundene Jesus fixiert ist. Eine eigentlich abstoßende Gewaltdarstellung, deren permanente Präsenz in christlich tradierten Ländern wohl nur der jahrhundertelange Abstumpfungsprozess erklärt. Immerhin attestierte jetzt der Europäische Menschenrechtsgerichtshof, dass Kruzifixe auf atheistische und andersgläubige Schüler verstörend wirken könnten (Warum nicht auf christliche?). Deshalb habe dieser religiöse Wandbehang aus Klassenzimmern öffentlicher Schulen zu verschwinden. Ein vernünftiger Spruch, dem erwartungsgemäß heftige Reaktionen der katholischen Kirche folgten.

So fuhr Vatikansprecher Federico Lombardi schweres verbales Geschütz auf: Das Urteil verkenne die »Rolle des Christentums in der Bildung der europäischen Identität«. Schließlich sei das Kruzifix seit jeher ein Zeichen der Liebe Gottes. Nun könnte man dies bei einem Vater, der seinen Sohn für die Verbrechen anderer hinrichten ließ, durchaus in Zweifel ziehen. Aber die Straßburger Richter fällten keinen Spruch über Sinn und Unsinn eines Glaubens, sondern über die Unzulässigkeit religiöser Nötigung. Ein Grundsatzurteil, das nicht nur die italienische Heimat der Klägerin betrifft. Zur Erinnerung: Der Kruzifix-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts von 1995 ist bis heute nicht umgesetzt.

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