Fromme Verführung

Nordische Filmtage in Lübeck – Finnland trumpfte auf

  • Caroline M. Buck
  • Lesedauer: 3 Min.

Von gut fünf Millionen Finnen waren rund 100 000 noch nie im Kino. Wer daraus allerdings Rückschlüsse auf die Qualität des finnischen Kinos ziehen wollte, läge völlig falsch. Das finnische Kino blüht und gedeiht, daran besteht nach den Nordischen Filmtagen Lübeck nun wirklich kein Zweifel mehr.

Nein, es ist nicht die Qualität der einheimischen Filmproduktion, es ist ihr Glaube, der viele Finnen von den Kinos fernhält. Denn rund 100 000 Finnen gehören der pietistischen Glaubensrichtung des Laestadianismus an, und der verteufelt neben anderen Verführungen auch das bewegte Bild. Kein Kino also für Laestadianer, kein Alkohol, kein Fernsehen, stattdessen eine frühe Verehelichung und so viele Kinder wie halt kommen. Und so kann die eigentlich zum Brüllen komische, weil so rührend ungeschickte Verabredung eines jungen Mannes mit einem jungen Mädchen zu einer Nachmittagsvorführung japanischer Kurzfilme denn wohl nur auf das ultimative Tabu zuführen: sexuelle Kontakte vor der Ehe. Wozu es dann prompt auch kommt in Dome Karukoskis »Forbidden Fruit«. Verbotene Frucht – hier ist der Filmtitel Programm.

Dass andererseits ein Film über einen blinden Priester, der seinen Lebensabend damit verbringt, die Briefe sorgenbeladener Mitmenschen mit Bibelstellen zu beantworten – und auch schon mal seine Ersparnisse beilegt, wenn es gilt, einer geschlagenen Mutter samt Kindern die Flucht vor dem prügelnden Familienvater zu ermöglichen –, nicht nur in Lübeck, sondern auch in Finnland höchst erfolgreich war, würde man nun irgendwie gerne mit den vielen frommen Finnen erklären, siehe oben. War aber natürlich wieder nichts, denn die gehen ja gar nicht ins Kino. Und gehörten, wenn sie denn gingen, auch der falschen Glaubensrichtung an, um diesen Vater Jakob schätzen zu können, der da einer reichlich unwirschen, frisch begnadigten Mörderin seine Antworten diktiert. »Post an Vater Jakob« von Klaus Härö läuft in Finnland schon seit acht Monaten im Kino und verließ Lübeck mit gleich zwei Preisen.

Dabei hatte eigentlich Norwegen die besondere Aufmerksamkeit dieser Filmtage gegolten. Von dort kam der Weltkriegs-Widerstandsfilm, der in Norwegen zum Kassenschlager des Jahres wurde (und hier auch bald zu sehen sein wird). Die Komödie über einen drolligen Außenseiter, die schon auf der Berlinale begeisterte. Und gleich zwei neue Verfilmungen des Bestsellerautors Jostein Gaarder. Der Hauptpreis der Filmtage ging dann aber nach Schweden, und es war – neben einer estnischen Doku – noch ein dritter wunderbar besetzter finnischer Spielfilm, der im Gedächtnis bleibt. Der hatte nun aber mit Religion wirklich gar nichts im Sinn, sondern handelte von ein paar hoffnungsvollen Kleinkriminellen, die in einem Vorort von Helsinki vergeblich ihr Glück suchen: »Auf den Straßen von Rööperi« von Aleksi Mäkelä.

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