Nicht nur Theaterdonner aus Baku

Wieder kein Durchbruch bei armenisch-aserbaidshanischen Verhandlungen um Berg-Karabach

  • Irina Wolkowa, Moskau
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Verhandlungen zum Konflikt um Berg-Karabach, einer von Armeniern bewohnten, aber zu Aserbaidshan gehörenden Region, die sich 1988 für unabhängig erklärte, seien ein »Schritt nach vorn«. So Bernard Fassier, der Vertreter Frankreichs, nach dem Treffen beider Präsidenten am Sonntag in München.

Frankreich, Russland und die USA haben den Vorsitz in der Minsker OSZE-Gruppe. Sie vermittelte 1994 zwar einen Waffenstillstand zwischen den Parteien im Konflikt um Berg-Karabach, konnte diese bisher aber nicht auf eine einvernehmliche Lösung festlegen. Armenien besteht auf Friedensschluss ohne Vorbedingungen, Aserbaidshan auf vorheriger Rückgabe jener Gebiete, die Armenien 1993 besetzte, um einen Korridor nach Berg-Karabach zu öffnen, und auf einem Volksentscheid über den künftigen Status von Karabach mit Beteiligung der 1988 vertriebenen Aseri.

Der Durchbruch misslang auch in München. Dennoch, so Vermittler Fassier, habe es eine Annäherung der Positionen gegeben. Noch offene Fragen sollen die Außenminister beider Staaten Anfang Dezember am Rande der OSZE-Konferenz in Athen klären. Zu Details wollte der Diplomat sich nicht äußern. Auch die Staatschefs Armeniens und Aserbaidshans – Sersh Sarkisjan und Ilham Alijew – vermieden jeden Kontakt mit der Presse. Alijew hatte dazu gute Gründe. Er hatte einen Tag vor dem Gipfel bei einem Treffen mit Flüchtlingen aus Karabach – durch den Konflikt waren über eine Million Menschen vertrieben worden und etwa 30 000 ums Leben gekommen – erklärt, in München werde sich entscheiden, ob Aserbaidshan die besetzten Gebiete mit Waffengewalt zurückhole. Baku habe eine militärische Lösung nie ausgeschlossen, ein Recht dazu und die vorderste Linie der Front personell bereits aufgestockt.

Derartige Töne erklären Experten vor allem damit, dass Armenien mit Erbfeind Türkei im September die Aufnahme diplomatischer Beziehungen und die Öffnung der Grenze beschloss. Diese hatte Ankara 1993 aus Solidarität mit Aserbaidshan – beide sind ethnische Verwandte sowie Kooperationspartner in Wirtschaft und Politik – dichtgemacht, um Armenien zum Einlenken in der Karabach-Frage zu zwingen. Nun, so fürchtet man in Baku, könnte der Druck nachlassen – und die Türkei könnte Armenien, das bisher fest zu Moskau steht, einen Übertritt in das Lager prowestlicher Republiken mit politischen und wirtschaftlichen Vergünstigungen vergolden. Zumal sich dadurch Ankaras Chancen auf einen EU-Beitritt erhöhen.

Türkische Beteuerungen, die Abmachungen mit Armenien verstießen nicht gegen Bakus Interessen, nahm man dort skeptisch auf. Russische Experten halten Alijews Kriegsdrohungen daher nicht nur für Theaterdonner. Armenien, so Ruslan Puchow vom Zentrum für strategische Analysen, könne sich, obwohl Mitglied des Verteidigungsbündnisses der UdSSR-Nachfolgegemeinschaft GUS, nicht mehr zwingend auf militärischen Beistand Russlands verlassen. Denn nach der Normalisierung der Beziehungen zur Türkei sei ein außenpolitischer Kurswechsel in Jerewan eine reine Zeitfrage, Präsident Sarkisjan ein Pragmatiker und zudem von der prowestlichen Opposition hart bedrängt.

Moskau sieht das offenbar ähnlich. Zumal Aserbaidshan längerfristig der attraktivere Partner ist. Gegen Berücksichtigung energiepolitischer Interessen Russlands in der Kaspi-Region deutete Präsident Dmitri Medwedjew daher schon mehrfach Bereitschaft zu einem Frontenwechsel in der Karabach-Frage an. Um Details dürfte es bei Alijews heutigem Besuch gehen. Es ist bereits seine zweite Moskau-Reise in diesem Jahr und die insgesamt sechste Begegnung beider Präsidenten.

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