Künstler und Käuze

Alex Capus porträtiert »Himmelsstürmer«

  • Werner Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

Nach dem großen Erfolg seines Romans »Eine Frage der Zeit« über den ersten Weltkrieg in Deutsch-Ostafrika hat Alex Capus jenes Projekt fortgesponnen, das er 2006 mit dem Band »Patriarchen« begonnen hat, in dem er über zehn schweizerische Unternehmer schrieb. »Himmelsstürmer« enthält zwölf Porträts, die, zunächst für Zeitungen und Zeitschriften verfasst, mehr oder minder berühmte historische Persönlichkeiten der Schweiz vorstellen. Dabei reicht die Palette von Marie Tussaud, Jean Paul Marat und Regula Engel, die in die Geschicke des ausgehenden 18. Jahrhunderts verstrickt waren, über Ferdinand Hassler, den Kartographen, und Samuel Johann Pauli, den Luftschiffer, oder den Griechenlandkämpfer und Frauenhelden Hans Jakob Meyer bis schließlich Mitte des 20. Jahrhunderts zum Astrophysiker, Raketenforscher und Morphologen Fritz Zwicky.

Auf einfühlsame, wohltuend informative Weise gelingt es dem Erzähler Capus, uns mit den Schicksalen und Lebensgeschichten von Gelehrten und Käuzen, von Künstlern und Technikern bekannt zu machen. Wir lernen Steckenpferde und Idiosynkrasien, fixe Ideen und tragisch-komische Ungleichzeitigkeiten kennen – wie etwa die des Berners Samuel Johann Pauli, der Ideen hegte, »die vor ihm niemand auf der Welt gehabt hatte, und er hatte den Willen, Himmel und Erde zu erobern«. Zu seinem Unglück aber kam er damit immer zu früh, zu spät oder war am falschen Ort. »Und als er einmal tatsächlich Weltgeschichte schrieb, hat er es nicht bemerkt.« Oder aber jenes Eduard Spelterini, des »Königs der Lüfte und Bezwingers der Schwerkraft«. Der ist eine Art Zwillingsbruder von Pauli. Nachdem er die Welt im Ballon erobert hat, muss er Ende seines Lebens noch die bittere Erfahrung machen, »dass der Motorflieger Géo Chavez mit der ersten Alpenüberquerung Weltruhm erlangte, während er selbst, der doch die Alpen schon zwanzig Jahre früher bezwungen hatte, allmählich in Vergessenheit geriet.«

Besonders geschickt stellt es Capus an, daß die zwölf Geschichten nicht bloß einzeln und nacheinander gelesen werden können, sondern aufeinander verweisen, indem die Figuren sich teils begegnen, teils durch historische Konstellationen auch in Beziehung gesetzt werden: »In jenem Jahr 1904, in dem Isabelle Eberhardt in der Sahara ertrank und Pierre Gilliard im Orientexpress nach Russland fuhr, reiste in entgegengesetzter Richtung von Sofia über Belgrad, Budapest und Wien ganz allein ein sechsjähriger Junge nach Zürich, den die Eltern für die dreitägige Fahrt vertrauensvoll der Obhut des Schaffners übergeben hatten.« Es handelt sich um Fritz Zwicky.

So oder so. Ins Wachsfigurenkabinett der Madame Tussaud in London, so müsste man Capus' Hochschätzung seiner Personage weiterspinnen, gehören sie allemal. Und das überaus vergnügliche erzählerische Denkmal bewahrt sie sowieso vor dem Vergessenwerden.

Alex Capus: Himmelsstürmer. Zwölf Porträts. Knaus Verlag. 208 S., geb., 14,95 €.

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