Kultusminister unter Druck
Studentenproteste begleiten heutige Tagung / Verbände für deutliche Bafög-Erhöhung
Die Statistiker aus Wiesbaden schlagen Alarm. Trotz steigender Ausgaben für Bildung sei Deutschland vom selbst gesteckten Ziel, bis 2015 den Anteil der staatlichen Bildungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt (BIP) auf zehn Prozent zu erhöhen, noch weit entfernt, erklärte das Statistische Bundesamt gestern in Wiesbaden. 2007 seien gerade einmal 8,4 Prozent des BIP für Schulen, Hochschulen und berufliche Weiterbildung ausgegeben worden. Um das Zehn-Prozent-Ziel zu erreichen, müssten die jährlichen Ausgaben von rund 204 Milliarden Euro um einen zweistelligen Milliardenbetrag erhöht werden. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) beziffert den jährlichen Mehrbedarf auf 40 Milliarden Euro. Nur so sei der Anschluss an die internationale Entwicklung zu finden, meinte der Vorsitzende der Organisation, Ulrich Thöne.
Eine Reform der staatlichen Ausbildungsförderung forderten gestern der DGB und das DSW. Eine einfache Erhöhung des Bafög und Anpassung der Freibeträge reiche nicht aus, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung. Die Bundesregierung hatte im November als Reaktion auf die Studentenproteste eine Erhöhung der Bedarfssätze und der Freibeträge für das nächste Jahr in Aussicht gestellt. Die Vizevorsitzende des DGB, Ingrid Sehrbrock, sprach sich u.a. für eine Abschaffung der Altersgrenze für Bafög-Empfänger aus, um mehr Menschen auch nach einer Berufstätigkeit die Aufnahme eines Studiums zu ermöglichen. Derzeit liegt diese Grenze bei 30 Jahren. Der Hochschulexperte der GEW, Andreas Keller, forderte eine Anhebung der Bafög-Sätze um mindestens zehn Prozent.
Die seit Wochen anhaltenden Studentenproteste steuern heute auf einen Höhepunkt zu. In Bonn wollen Schüler und Studierende anlässlich des Treffens der Kultusministerkonferenz (KMK) protestieren. Die Veranstalter rechnen mit mindestens 5000 Teilnehmern. Die KMK hat unterdessen angekündigt, Nachbesserungen bei der sogenannten Bologna-Reform vorzunehmen, durch die das deutsche Studiensystem auf die Abschlüsse Bachelor und Master umgestellt wurde. So soll die Prüfungsbelastung verringert und die Dauer der Regelstudienzeit flexibilisiert werden. Bislang wurden die Vorgaben der Bologna-Reform recht streng ausgelegt und z. B. das Bachelor-Studium auf sechs Semester begrenzt. Das hat nach Meinung vieler Studierender, aber auch Vertreter von Bildungsorganisationen zu einer Arbeitsüberlastung sowie zu einer Verschulung des Studiums geführt. Es sei gut, wenn »dieser Webfehler der Bologna-Reform« endlich beseitigt werde, kommentierte gestern der Bundesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), Udo Beckmann. Einen andern »Webfehler« hat indes Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) eingestanden. Das Verbot der Zusammenarbeit zwischen dem Bund und den Ländern in der Politik sei ein Fehler gewesen, zitiert die aktuelle Ausgabe der Wochenzeitung »Die Zeit« die Ministerin. Der Bund wolle den Ländern langfristig mehr Geld für Bildung zur Verfügung stellen.
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