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Vargas trifft Baudoin

  • Irmtraud Gutschke
  • Lesedauer: 3 Min.
Im römischen Amphitheater der südfranzösischen Stadt Orange wird sich alles entscheiden. Die Leute, an die Grégoire denkt, man sieht sie schon auf der Zeichnung von Edmund Baudoin. Wäre der alte Mann ganz vorn zuerst da, könnte es dem Jungen schlecht ergehen. Seine hübsche »Enkelin« dahinter hat ihn schon mal verraten. Der junge Mann neben ihr könnte ein Toter sein. Der Vierte, so gar nicht entschlossen, ist der berühmte Kriminalkommissar Jean-Baptiste Adamsberg. Und von Grégoires Vater sieht man nur den Kopf. Der denkt von zu Hause aus sorgenvoll an den Sohn, hinter dem nicht nur die Polizei her ist, sondern auch ein mysteriöser Mörder namens »Widder«.

»Das Zeichen des Widders« heißt der Krimi von Fred Vargas, den sie eine »graphic novel« nennt. Denn obwohl sie es als Königin des französischen Kriminalromans auch gut aus eigener Kraft auf die Bestsellerlisten schafft, hat sie sich für dieses schon vor einigen Jahren in Frankreich erschienene Buch einen Zeichner zur Seite geholt. Edmund Baudoin, Jahrgang 1942, gilt als Vorreiter einer ganzen Generation von Comic-Künstlern und ist, wie man hört, mit der Autorin schon lange gut bekannt. Ihr Manuskript hat er nicht lediglich illustriert, sondern zu einem ganz eigenen Kunstwerk gestaltet, wobei er mitunter auch längere Textpassagen übernahm. Wenn es um Action-Szenen geht, kommt er indes oft ganz ohne Worte aus. So wird einem beim Lesen nicht nur vor Augen geführt, was geschieht, unweigerlich bringt man eigene Vorstellungen ins Spiel. Man kann also selbst bestimmen, ob man für den Comic so viel weniger Zeit braucht als für einen Krimi-Text allein, der ohne die detailreichen, hintergründigen Zeichnungen vielleicht 400 Seiten umfassen würde. Baudoin hat sich nicht auf eine Handlungsabfolge beschränkt, sondern auch das ins Bild gebracht, was Fred Vargas' Romane so besonders macht: das Bizarre, Rätselhafte, Heitere auch, für das manche Leute Sinn haben und andere nicht.

Grégoire hat in eine »Büchse der Pandora« geblickt und ohne Kommissar Adamsberg wäre er verloren. Adamsberg: ein Künstler unter den Polizisten. Idioten nennt er Leute, die nur ihrem »gesunden Menschenverstand« vertrauen. »Sie wissen genau, dass ich nie an etwas Bestimmtes denke. Vielmehr denken die Dinge an mich«, sagt er zu seinem Kollegen Danglard, notorischer Säufer und wandelndes Lexikon.

Wir kennen dieses unschlagbare Ermittlerteam schon aus früheren Vargas-Krimis und können ihm im neuesten Roman der Autorin, wiederbegegnen, die eigentlich Frédérique Audoin-Rouzeau heißt, von Haus aus Archäologin ist und unter dem namen Fred Vargas bereits ihren elften Krimi veröffentlicht hat: »Der verbotene Ort« (vor kurzem bei Aufbau erschienen) beginnt mit einer grausigen Entdeckung: Vor dem Londoner Friedhof Highgate sind 17 Paar Schuhe aufgereiht, in denen Füße stecken, vermodert und verwest. Da brauchen Adamsberg und Danglard gute Nerven. Dank Baudoin wissen wir, wie die beiden aussehen.

Fred Vargas: Das Zeichen des Widders. Mit Zeichnungen von Baudoin. Aus dem Französischen von Julia Schoch. Aufbau-Verlag. 222 S., geb., 22,95 €.

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