Vargas trifft Baudoin
»Das Zeichen des Widders« heißt der Krimi von Fred Vargas, den sie eine »graphic novel« nennt. Denn obwohl sie es als Königin des französischen Kriminalromans auch gut aus eigener Kraft auf die Bestsellerlisten schafft, hat sie sich für dieses schon vor einigen Jahren in Frankreich erschienene Buch einen Zeichner zur Seite geholt. Edmund Baudoin, Jahrgang 1942, gilt als Vorreiter einer ganzen Generation von Comic-Künstlern und ist, wie man hört, mit der Autorin schon lange gut bekannt. Ihr Manuskript hat er nicht lediglich illustriert, sondern zu einem ganz eigenen Kunstwerk gestaltet, wobei er mitunter auch längere Textpassagen übernahm. Wenn es um Action-Szenen geht, kommt er indes oft ganz ohne Worte aus. So wird einem beim Lesen nicht nur vor Augen geführt, was geschieht, unweigerlich bringt man eigene Vorstellungen ins Spiel. Man kann also selbst bestimmen, ob man für den Comic so viel weniger Zeit braucht als für einen Krimi-Text allein, der ohne die detailreichen, hintergründigen Zeichnungen vielleicht 400 Seiten umfassen würde. Baudoin hat sich nicht auf eine Handlungsabfolge beschränkt, sondern auch das ins Bild gebracht, was Fred Vargas' Romane so besonders macht: das Bizarre, Rätselhafte, Heitere auch, für das manche Leute Sinn haben und andere nicht.
Grégoire hat in eine »Büchse der Pandora« geblickt und ohne Kommissar Adamsberg wäre er verloren. Adamsberg: ein Künstler unter den Polizisten. Idioten nennt er Leute, die nur ihrem »gesunden Menschenverstand« vertrauen. »Sie wissen genau, dass ich nie an etwas Bestimmtes denke. Vielmehr denken die Dinge an mich«, sagt er zu seinem Kollegen Danglard, notorischer Säufer und wandelndes Lexikon.
Wir kennen dieses unschlagbare Ermittlerteam schon aus früheren Vargas-Krimis und können ihm im neuesten Roman der Autorin, wiederbegegnen, die eigentlich Frédérique Audoin-Rouzeau heißt, von Haus aus Archäologin ist und unter dem namen Fred Vargas bereits ihren elften Krimi veröffentlicht hat: »Der verbotene Ort« (vor kurzem bei Aufbau erschienen) beginnt mit einer grausigen Entdeckung: Vor dem Londoner Friedhof Highgate sind 17 Paar Schuhe aufgereiht, in denen Füße stecken, vermodert und verwest. Da brauchen Adamsberg und Danglard gute Nerven. Dank Baudoin wissen wir, wie die beiden aussehen.
Fred Vargas: Das Zeichen des Widders. Mit Zeichnungen von Baudoin. Aus dem Französischen von Julia Schoch. Aufbau-Verlag. 222 S., geb., 22,95 €.
Erhältlich im ND-Shop.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.