Lebens-Schule

  • Roberto Becker
  • Lesedauer: 2 Min.

Die beste Lösung für die Leipziger Oper wären streitbare Neuinszenierungen auf hohem musikalischen Niveau. Damit könnte man die nötige Schubkraft entfalten, um das Haus wieder auf den Platz in der Opernlandschaft zurückzuführen, den es unter Udo Zimmermann hatte. Wenn denn schon ein Peter Konwitschny der Chefregisseur des Hauses ist und künstlerisch das Sagen hat! Aber der einst so heftig Umstrittene, findig gegen den Strich der Publikumserwartung bürstende Neudeuter lässt sich klugerweise nicht darauf ein, ein einmal inszeniertes Werk x-mal neu zu befragen. Lieber pflegt er seine Inszenierungen mit Sorgfalt, studiert sie (weltweit) mit neuen Sängern ein. So wird der Leipziger Spielplan immerhin von der zweitbesten Lösung dominiert: nämlich vor allem von den reaktivierten und aufpolierten Konwitschny-Klassikern. Seine hausgemachte »Bohéme« ist in Leipzig immer noch ein Dauerbrenner. Die übernommene Grazer »Aida« oder jetzt der Hamburger »Lohengrin« haben das Zeug dazu.

Dieser »Lohengrin« hatte 1998 bei seiner »richtigen« Premiere für Wirbel gesorgt. Der Ausflug in das wilhelminische Klassenzimmer von Helmut Brade, in dem die Pennäler die »Lohengrin«-Story als ein Scheitern der Utopie vom anderen Leben und der großen geheimnisvollen Liebe nachspielen, muss heute freilich ohne den Überraschungseffekt bestehen. Jetzt, in Leipzig, durfte man den paar Buhrufern am Ende fast schon dankbar sein, weil sie daran erinnerten, wie weit Konwitschny vor zehn Jahren seiner Zeit voraus war.

Allerdings hat auch diese einstige ästhetische »Lohengrin«-Revolte mittlerweile ihre Patina angesetzt. Zumal sie eine Reihe von politisch aktuellen Sichtweisen junger Regisseure mit einer ganz eigenen Bildsprache ermutigt hat. So sind es vor allem solche dezidiert auf die Gegenwart zielenden Zugänge, die mittlerweile neben Konwitschnys fröhlich naiver, dabei doch so unterschwellig ernster und letztlich, in der Pointe düsterer Sicht bestehen können.

Und doch hat eben eine so durchdachte, lustvoll umgesetzte Personenregie wie bei Konwitschny immer noch ihren packenden Charme, weil sie den Figuren dicht auf den Fersen bleibt, auch wenn die sich wie Elsa im Schrank verkrümeln, wie Ortrud und ihr Friedrich gefesselt und nachts in der Schule eingeschlossen werden, oder wenn die Jungs mit ihren Holzschwertern rumfuchteln und ihr Klassenzimmer zum Schlachtfeld machen. Wobei auch GMD Ulf Schirmer am Pult bewusst auf dieses handfeste Theater setzte, es dabei auch mal krachen ließ, aber doch den Silberglanz der Gralsklänge und die Präzision nicht unterschlug. Stefan Vinkes Schmetter-Lohengrin war da nicht so zimperlich. Der bewährte Telramund-Haudegen Hans-Joachim Ketelsen gab ein vokales Niveau vor, das die anderen Protagonisten so nicht erreichten.

Nächste Vorstellung: 27.12.

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