Im Eiltempo Richtung Bayern

Schwarz-Gelb in Hannover will rasch ein hartes Versammlungsgesetz

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 3 Min.
Seit 2006 ist das Versammlungsrecht Ländersache – nach Bayern und Baden-Württemberg will nun auch Niedersachsen Demonstrationen einschränken. Doch ihre genauen Pläne hält die Koalition noch unter Verschluss. Nur eines ist schon klar: Schnell soll es gehen.

In Landesparlamenten gibt es viel Routine. Da gilt es etwa, irgendwelche Landesbestimmungen mit EU-Normen in Einklang zu bringen oder andere Detailfragen zu klären. Für solche Fälle gibt es in der Geschäftsordnung des niedersächsischen Landtages seit einigen Jahren die Möglichkeit eines verkürzten Verfahrens: Statt in die erste Lesung geht der Entwurf dabei gleich in den Ausschuss, es folgt vielleicht eine Anhörung, die zweite Lesung und endlich der Beschluss. »So spart man sich mindestens eine Runde der öffentlichen Diskussion«, sagt Jan Langeheim, Fraktionssprecher der Linkspartei in Hannover, »das muss deshalb sehr eng beschränkt bleiben«.

Genau das ist aber offenbar nicht der Fall. Im Jahr 2009 wurde schon das Verfassungsschutzgesetz durch das verkürzte Verfahren geschickt, das immerhin Fragen wie die technische Wohnraumüberwachung regelt. Nun soll anscheinend auch das neue Landesversammlungsgesetz diese Abkürzung nehmen, noch diesen Monat will man es in einer Sitzung des Innenausschusses vorstellen.

Das zumindest sickerte aus Koalitionskreisen in die Landespresse. Pia Zimmermann, Innenexpertin der Linksfraktion in Hannover, sieht schon darin einen handfesten Skandal: »Bei einem so zentralen Grundrecht wie dem Versammlungsrecht muss es eine breite öffentliche und parlamentarische Auseinandersetzung geben.«

Die geplante Abkürzung des Verfahrens ist um so merkwürdiger, als sich die Koalition selbst über ein Jahr lang um das Gesetz gestritten hatte. Innenminister Uwe Schünemann (CDU) hatte zunächst auch das heimliche Filmen von Demonstrationen erlauben wollen. Das steht nun wohl nicht mehr im Entwurf, die FDP hatte sich dagegen verweigert. Allerdings hätte ein solcher Paragraph ohnehin kaum Bestand gehabt. Aus dem bayerischen Versammlungsgesetz von 2008 nämlich strich Karlsruhe die versteckte Kamera wieder heraus – wie auch eine Regel, nach der ein Anmelder für Verstöße der Teilnehmer haften sollte.

Doch auch ohne diese Extreme enthält das Bayern-Gesetz viele Einschränkungen. So müssen Demonstrationen im Freistaat 72 Stunden statt 48 Stunden vor Beginn angemeldet werden. In Bayern werden Ordner mit Namen und Adresse erfasst; eine Demonstration kann schon ab zwei Personen statt drei festgestellt werden.

Was davon im niedersächsischen Gesetz stehen soll, ist wegen der klandestinen Vorbereitung noch gar nicht bekannt – nur, dass es »Richtung Bayern« gehen soll.

Die SPD schweigt bisher; die Grünen haben einen Entwurf vorgelegt, der auf Verschärfungen verzichtet. Auch die Linkspartei hält die bestehenden Bestimmungen für ausreichend – will aber die »antiquierte« Bannmeile um den Landtag kippen.

Einen konkreten Forderungskatalog präsentiert dagegen der DGB: Unter anderem sollen Versammlungen vor bestreikten Betrieben aus der Anmeldepflicht herausfallen und Versammlungen unter 20 Teilnehmern nicht mehr anzeigepflichtig sein. Dafür wünschen die Gewerkschafter ihrerseits eine generelle Einschränkung des Versammlungsrechtes: an Gedenktagen mit Bezug zum Nationalsozialismus. Darauf ist bisher nicht einmal Schünemann gekommen.

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