Auf der Suche nach der Solidarität
Konferenz zu Gewerkschaften im 21. Jahrhundert
Nachdem der Refrain des Liedes vom Hans-Beimler-Chor »Vorwärts und nicht vergessen – die Solidarität« verklungen war, resümierte der IG-Metall-Gewerkschafter und Mitglied des Betriebsrates des Autozulieferer Karmann, Achim Bigus: »Solidarität ist bei vielen Arbeitnehmern längst nicht mehr selbstverständlich. Viele sehen sich nur noch als Kunden bei den Gewerkschaften und als Beobachter in der Politik.« Jeder Verelendungstheorie erteilte er eine klare Absage: »Nicht die Verarmung sondern der Kampf um politische Alternativen schafft Bewusstsein.« Dem stimmte auch die Sozialwissenschaftlerin Christina Kaindl von der Berliner Gruppe Soziale Kämpfe (GSK) zu.
Allerdings sah sie in größeren Teilen der Bevölkerung eine Bereitschaft zur kritischen Auseinandersetzung mit der kapitalistischen Gesellschaft. »Jetzt, wo alle vom Ende der Krise reden, droht die Sachzwanglogik die Suche nach Alternativen zu verdrängen.« Die langjährige Attac-Aktivistin und jetzige Bundestagsabgeordnete der Linken, Sabine Leidig, wies auf einen weiteren Grund für politische Ernüchterung vor allem bei der globalisierungskritischen Bewegung hin. »Warum sollen die Menschen noch gegen Organisationen wie die G8 und die WTO protestieren, wenn sich herausstellt, dass deren politischer Einfluss sehr klein ist.« Der französische Journalist Pierre Lévy trug zu einer weiteren Ernüchterung des Publikums bei. In Deutschland werde von Streiks in Frankreich geschwärmt, die aber gar bei näherem Ansehen gar nicht so großartig waren.
Trotz soviel Desillusionierung blieb doch noch Zeit für Zukunftsperspektiven. Der Kampf um radikale Arbeitszeitverkürzung stand dabei im Mittelpunkt. Ein Gewerkschafter aus dem Publikum forderte unter großen Beifall die 30- Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich. »Und noch die Rente mit 60«, rief ein anderer Teilnehmer. Doch wie schwer es ist, Forderungen in die Realität umzusetzen, machte Achim Bigus deutlich. »Als die Kollegen bei Karmann über einen Lohnverzicht als Krisenbeitrag abstimmen sollten, forderte ich die Verstaatlichung und bekam großen Beifall. Auch von denjenigen, die anschließend mit großer Mehrheit den Opfern für den Standort zustimmten.«
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