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Ein Weltmeister der Käsemacher
Martin Buhl zog vor vielen Jahren von Berlin in ein einsames Schwarzwaldtal und wurde Bio-Ziegenbauer. Heute ist der einstige Designer der größte Ziegenkäseproduzent in Baden-Württemberg.
Vor fünfzehn Jahren wohnte Martin Buhl noch in Berlin, baute Diskotheken aus und arbeitete als selbstständiger Designer. Dass er einmal mitten im tiefsten Schwarzwald leben wird, und dann auch noch als Ziegenbauer, hätte er damals wohl keinem abgenommen. »Berlin«, findet Buhl heute, »ist ein Haifischbecken«. Vor zehn Jahren zog der heute 41-Jährige aus der Millionenstadt nach Schuttertal-Schweighausen im Schwarzwald. Drei Ortsteile und 3200 Einwohner – ein Paradies für Wanderer und Mountainbiker. Das kleine Flüsschen Schutter entspringt am Hünersedel, oberhalb von Schweighausen auf 680 Meter Höhe. Und am Hang des benachbarten Geisberg, 727 Meter hoch, im Ortsteil Schweighausen, da ließ sich Martin Buhl nieder. Als Quereinsteiger, der »von Landwirtschaft überhaupt keine Ahnung hatte«, kaufte er sich eine Ziegenherde und begann, einen bereits stillgelegten alten Schwarzwaldhof zu bewirtschaften: den Rechnerseppenhof. Sein Ziel: Den kleinen Hof als Vollerwerbshof zu betreiben – worüber damals Freunde und Nachbarn die Köpfe schüttelten. Seinen selbstgemachten Käse nannte er Monte Ziego – so wie die Einheimischen eben den Geisberg nennen, auf dem der Rechnerseppenhof steht.
800 Ziegen für 70 Tonnen Käse
Buhl hat es jedoch weiter gebracht, als alle ihm zugetraut haben. Viel weiter. Vom Direktvermarkter, der von morgens bis abends und an sieben Tagen in der Woche in seinem Stall, der Hofkäserei und auf Wochenmärkten schuftete, zum Geschäftsführer eines Bio-Großbetriebs. Sein Unternehmen wurde jüngst bei einem internationalen Wettbewerb in Cremona in Italien als »Weltmeister der Käsemacher« prämiert. Sein Käse heimst regelmäßig Gold- und Silbermedaillen ein. Buhl profitiert dabei vom Lohas-Trend, dem »Lifestyle of Health an Sustainability«. Aufgescheucht durch Lebensmittelskandale und enttäuscht von der geschmacklichen Gleichförmigkeit der globalisierten Lebensmittelwelt, sehnen sich die Verbraucher zunehmend nach Ursprünglichkeit und nach Vertrauenswürdigkeit. Und zahlen auch gerne mehr dafür – so auch für den Bio-Ziegenkäse von Martin Buhl. Sein Monte Ziego ist in den Bioläden und Supermärkten im Südwesten inzwischen ein Renner. Selbst die Lufthansa wollte voriges Jahr Buhls Ziegenkäse für ihr Catering ordern – der lehnte ab, aus Kapazitätsgründen
»Wir haben konsequent versucht, uns einen Markt ausschließlich über Qualität zu erschließen«, sagt Ziegenbauer Buhl. »Und das funktioniert auch.« Heute verarbeitet seine »Biomanufaktur Schwarzwald-Bodensee« gut 400 000 Liter Ziegenmilch pro Jahr – das sind rund 70 Tonnen Käse – und macht damit rund 800 000 Euro Umsatz. »Dieses Jahr knacken wir die Millionengrenze«, sagt Buhl selbstbewusst. Außerdem will er eine neue Käserei für zwei Millionen Euro bauen. »Mich hat es schon immer fasziniert, die Entstehung eines Produkts entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu verantworten«, sagt Buhl.
Seine Hofkäserei Monte Ziego ist heute der größte Ziegenmilchverarbeiter in Baden-Württemberg, zum Unternehmen gehören inzwischen sieben Ziegenmilch-Betriebe, ein Kuhmilch-Hof und zwei Käsereien. Mehr als 30 Menschen leben mittlerweile von der Arbeit bei Monte Ziego. Insgesamt 800 Ziegen geben die Milch für die verschiedenen Käseprodukte wie Quark, Frischkäse oder Weichkäse. Seit einiger Zeit hat Buhl auch einen Kuhmilchkäse namens »Mona Lisel« im Programm, dessen Rohstoff von einem Bauernhof am Bodensee stammt. In diesem Jahr sollen drei weitere Betriebe mit 250 Ziegen dazukommen. Buhl will regional produzieren und gemeinsame logistische Strukturen schaffen.
Buhls Unternehmens-Netz residiert inzwischen in einem ehemaligen Mädcheninternat unterhalb der Hochburg bei Emmendingen. Auf dem Gelände befinden sich ein Hofladen, die Staatliche Fachschule für Landwirtschaft – und der Bauernhof der Gebrüder Schöning, die 2005 der erste Partnerbetrieb Buhls wurden und heute 260 Ziegen halten. Als Landwirt arbeitet Buhl längst nicht mehr, mit Vermarktung und Geschäftsführung hat er genug zu tun. »Spätestens bei 200 Ziegen ist die Menge zu groß, als dass man sie über Direktvermarktung vertreiben kann«, erklärt er. »In diese Lücke bin ich mit Monte Ziego reingerutscht.« Er habe erkannt, dass seine Produkte im Handel stark nachgefragt sind. »Was wir heute machen, könnten wir unmöglich direkt vermarkten.«
Bäuerliche Netzwerke statt Massenproduktion
Zuerst nutzte er die Vertriebsstrukturen eines Biogroßhändlers vom Kaiserstuhl. Als dieser schließlich die Bio-Supermarktkette Alnatura belieferte, gab es auch dort Monte Ziego-Käse in den Regalen. Andere Großhändler kamen hinzu, schließlich die Edeka Supermärkte: »So wachsen wir halt nach und nach«, sagt Buhl. Die bäuerlichen Wurzeln will er allerdings nicht aufgeben – den Sprung zur industriellen Käseherstellung schließt er kategorisch aus, aus Qualitätsgründen. Und hält stattdessen lieber den Gedanken bäuerlicher Netzwerke hoch: »Ich nehme das Wort Regionalität sehr ernst. Monte Ziego ist ein handwerklicher Käse, der regional erzeugt und regional vertrieben wird.« Das steht einer Expansion des Unternehmens aus Buhls Sicht allerdings nicht im Wege: Kürzlich hatte er die Anfrage eines Ziegenhalters aus Schleswig-Holstein, der das Modell in den Norden übertragen wollte. Grundsätzlich könne er sich das auch vorstellen, sagt Buhl, in ein paar Jahren sei man vermutlich in der Lage, das Monte Ziego-Konzept in anderen Regionen zu etablieren: »Voraussetzung wäre, dass Käse, der im Norden gemacht wird, auch dort vertrieben wird, aber eben unter einer nationalen Dachmarke.«
Dass es so weit kommt, ist nicht unrealistisch – jetzt schon streckt Buhl seine Fühler in die Schweiz aus – und nach Frankreich, also in das Paradies für Ziegenkäseliebhaber, wo über 100 verschiedene Sorten erzeugt werden. Den Vergleich mit den französischen Top-Produkten scheut Buhl nicht. »Es gibt zwar in Deutschland immer noch viele Vorurteile über Ziegenprodukte. Aber das liegt auch an der schlechten industriellen Massenproduktion«, sagt er. Sein handgemachter Käse sorge jedes Jahr für ein gleichbleibendes Wachstum zwischen 30 und 50 Prozent: »Immer mehr Menschen entdecken, wie gut das schmeckt« – und seien dafür auch bereit, an der Theke einen recht hohen Preis zu zahlen. Dieser rechtfertige sich bereits über die aufwändige Herstellung: »Ein guter Käse beginnt im Stall«, sagt Buhl. Die Ziegen haben viel Platz und Auslauf. Die biologische Produktion soll eine gesunde und gute Milch ohne jeglichen Zusatz garantieren. Aufwändig zwar, aber nur so erhalte man den »Rohstoff, aus dem man ein erstklassiges Produkt herstellen kann«, sagt Buhl.
Der Preis erklärt sich aber auch aus der Unternehmensstruktur: Einen guten Käse bekomme man eben nur hin, wenn alle Einzelbetriebe, die sich hinter der Marke Monte Ziego verbergen, gleichwertig behandelt werden, sagt Buhl: »Nur wenn jedes Teil funktioniert, funktioniert auch die ganze Unternehmung.« Eigentlich eine Binsenweisheit. Doch die Landwirte, die Buhl mit Milch beliefern, sind zugleich Mitgesellschafter der Biomanufaktur und somit eng an die Käserei gebunden. Diese wiederum verpflichtet sich, die erzeugte Ziegenmilch auch zu 100 Prozent zu verarbeiten. »Für einen langfristigen Erfolg ist es wichtig, dass man neue Wirtschaftsformen findet, die sich alle an der Wertschöpfung gleichermaßen beteiligen. Die klassischen Formen soll es bei uns nicht geben.« Dass es funktioniert, merken Buhls Ziegenbauern, wenn sie ins Portemonnaie schauen. Von dem Milchpreis, den Monte Ziego zahlt, können andere Landwirte in der Region nur träumen: »Wir zahlen 70 Cent für einen Liter Ziegenmilch. Und für Kuhmilch 45 Cent.«
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