Ach, nur die Tasche? Kann er haben!

Donizettis »Don Pasquale« an der Komischen Oper Berlin

  • Irene Constantin
  • Lesedauer: 4 Min.

Don Pasquales Passion ist die Sepulcralkultur. Alles, was dazugehört, hat er in der Halle seines Hauses aufgebaut. Eine schwarzsamtene Decke, deren reiche Goldstickerei seine Initialen zeigt, bedeckt ein von gewaltigen Kerzen flankiertes Podest. Darauf thront ein schwarzer Sarg, hochglanzpoliert und mit goldglänzenden Beschlägen reich verziert. Der zukünftige Inhaber des Luxusmöbels rodelt indes feixend auf dem Rollator darum herum. Soeben hat er sich vorgenommen, eine 18jährige Klosterschülerin zu heiraten. Nur ein kleiner Hexenschuss beim Freudentänzchen erinnert den frisch Verjüngten daran, dass er tatsächlich über 70 ist. Was er sich allerdings mit dem vermeintlichen Jungbrunnen auf den Hals holt, ahnt er noch nicht.

Mit scheuem Augenaufschlag naht sich ihm die Hölle, allerliebst anzusehen und herbeigeschafft von Dr. Malatesta, scheinheiliger Freund und windiger Leibarzt des vermögenden Senioren. Der Plan ist, die Braut soll heiraten, sich gut versorgen lassen und den Alten dann so lange entnerven, bis er nur noch eins will, sie wieder loswerden: Das wohlbekannte Commedia-dell’arte- und Opera-Buffa-Spielchen vom genarrten alten Hagestolz.

Nach dem Willen Donizettis und seines Librettisten Giovanni Ruffini soll die schüchterne Schöne in Wirklichkeit die extrem muntere und raffinierte junge Witwe Norina sein, die verkleidete Angebetete von Pasquales enterbtem Neffen Ernesto. Doch schon an dieser Stelle hatte Regisseurin Jetske Mijnssen an der Komischen Oper Berlin eine andere Idee. Statt des in zarten Arien naiv schmachtenden Ernesto ist der fixe Bursche Malatesta ihr Geliebter.

Musikalisch stimmt dies Verbindung einfach besser, und außerdem bietet sie jede Menge Spielmaterial. Wer wen gerade austrickst, ändert sich im Minutenabstand. Natürlich kommt auch Ernesto mal zum Zuge bei Norina, und Malatesta seinerseits hat noch eine gewaltige anderweitige Chance. Als Zwei-Meter-Dame und Notarin kommt sie über ihn.

Auch hier hat Regisseurin Jetske Mijnssen Fantasie walten lassen. Kein stotternder Depp aus der Lustigkeits-Mottenkiste spielt die Rolle, sondern der in Hape Kerkelings Damenkostüm verpackte Hüne Ingo Witzke aus dem Studio der Komischen Oper, hinreißend ironiefrei.

Auch Don Pasquale hat noch einen großen Überraschungs-Trumpf in petto, den größten von allen. Eingepackt in eine knallrote Sporttasche ist das: sein Bestes, das was alle von ihm wollen. Vor allen Bankern in Sicherheit gebracht, verbergen sich einige Kilo Cash im noch freien Sarg. Ohne Moos nichts los, jeder weiß es.

Jetske Mijnssen wirbelt die Tänzer um die rote Tasche immer rasanter herum. Einer nach dem anderen verhakelt sich in den Fallstricken doppelter Böden. Pasquale stürzt zwischen alle Stühle, es kracht und rumpelt. Endgültig weiß er nicht mehr, wo ihm der Kopf steht, als eine Horde Kreativer in sein Haus einfällt. Muttersöhnchen Ernesto greift die Sporttasche, und Norina überschüttet ihn plötzlich mit Liebe.

Malatesta, eben noch mit Norina unterm Sarg heftig zugange, sieht sich abgemeldet, begreift dann, dass alles nur um die Tasche geht und greift seinerseits zu. Geld oder Liebe? Am besten beides aber, im Zweifelsfall lässt sich Liebe ersetzen. Seine Pistole richtet sich auf die fassungslose Norina, Malatesta geht ab.

Plötzlich wird es ruhig im Haus – und finster. Nachtschwarzes Ende der Komödie. Keiner hatte es begriffen, die Tasche war Pasquales letzte Rache. Wie einst Eris den Apfel der Zwietracht vor die Füße der Götter rollte, ließ er das Bargeld zwischen die jungen Teufel plumpsen.

Das Riesenweib von Notarin, der vom allzuspäten Frühling übermannte Alte, das späte Baby Ernesto – irgendwie klumpte das Lachen über die althergebrachten Prügelknaben der Komödie im Magen. Jetske Mijnssen hatte sich den Jubel für diese rasante Orgie aus tieferer Bedeutung und blankem Spaß, für dieses rasant abgezirkelte Getümmel aus Gefühlen und Kalkülen, aus Tönen und Stimmen, Leibern und unsäglichen Klamotten, spitzigen Schuhen und skurrilen Requisiten wunderbar verdient.

Jens Larsen gab den Titelhelden mit polternd knarzender Komik, Adrian Strooper säuselte mit feinem Tenor das mutterlose Muttersöhnchen Ernesto, allerliebst seine Canzonette; Günter Papendell als zungenflinker und alerter Dr. Malatesta wurde nur noch übertrumpft von der so bildhübschen wie quirligen Christiane Karg, Norina. So lieblich ihre Stimme floss, so bitterböse konnte sie sein, eine wahrhaft glänzende betrogene Betrügerin.

Der deutsche Text von Bettina Bartz und Werner Hintze beflügelte den Gesang außerordentlich, das wurde noch übertroffen vom Orchester der Komischen Oper unter der Leitung des Donzetti-geschulten Italieners Maurizio Barbacini.

Mit einem Donnerkrach ging die Ouvertüre los, und alsbald glitzerten Instrumente und Stimmen um die Wette, klitzekleine Stolperer inbegriffen.

Nächste Vorstellungen am 5., 20. und 27. Februar

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