- Kultur
- Berlinale 2010
Nur ein Wort, stundenlang
Wettbewerb II: »Howl« von Rob Epstein
Es war wieder soweit. Im Berlinale-Palast ging der Lappen hoch. Wie erwartet tauchte die »L'Oreal«-Werbung auf. Nur mal so hingesagt, könnte die Firma nicht heimlich spenden? Die Zuschauer möchten doch das Kinostück sehen. Aber schon recht, ich will ja keinen Stunk machen. Man kam sofort zur Sache.
Zunächst hatte man ein aufrührerisches Musikstück zu ertragen und mit dem Cine-Format zu kämpfen, dessen Breite restlos unterteilt wurde, zerstückelt, wieder zusammengeführt, mit Bruchstücken aller Art, kaum ein Ganzes gelungen, wurde alles wieder aufgehoben. Um ja Kurzweil zu betreiben, entstanden immer neue Rechtecke.
Aber auch das genügte nicht bei der Bildzerstörung, es ging ähnlich und schnell weiter. Man konnte gar nicht recht lesen, was die Untertitel sagten. Aber jedermann wusste, dass die Filmemacher mal Farbe bekennen müssen, wie es weitergeht.
Es ging um das Leben des umstrittenen 29-jährigen Berserker-Dichters Allen Ginsberg, der, und das war trotz der Zertrümmerung der Handlung und der Bilder ... weil Ginsberg selbst so eine Art Zertrümmerer war ... aber das kann wohl nicht sein, dass die Film-Form solche Handzeichen anbietet.
Bei Ginsberg ist alles möglich? Dem, wie es dargeboten ist, war schwer zu folgen. Es ging alles sehr schnell. Das Cine-Format sollte gefüllt sein mit neuartigen, überraschenden Konstellationen. Vermutlich, weil die Filmemacher ihrem Solisten und der endlosen Rederei, der Tod mancher Filme, nicht trauten? Ob er alles rüberbringe und interessant bleibe? Ob er Ginsberg werde in den Augen des Betrachters? Es wimmelt in diesem Film von Animationen, Leute in Massen mit gleichen Gesichtern, schreiend, die Untertitel kommen kaum nach.
Nun war ich nie ein Ginsberg-Freund, ich gebe das hier an. In vielen Szenen redet er, also der Schauspieler, endlos. Aber es ist auch so, dass der Zuschauer, vermute ich, in den Sog dieser Reden gerät, sie sind fabelhaft fast auf sowas wie Identität aus. Hallo, der spielt ja fast nicht, er ist es nahe. Nun war ich nie ein Ginsberg-Fan, ich gebe das hier noch mal bekannt. Mir ging, ihn zu zitieren, alles was er sagte, wenn ich es zu lesen bekam, alles am Arsch vorbei.
Das Gemache, um die Cine-Leinewand zu bevölkern, störte erheblich, es diskreditierte vielleicht sogar das redlich gedachte Ganze, es störte, als man schon anfing, dem Schauspieler gerne zuzuschauen, der irgendwann anfing, vermutlich wie Allen Ginsberg zu sein, für mich verwischte er da plötzlich die Spur, zu schauspielern. Ich glaubte ihm mit einem Mal, er grenzte ans Wahre, Wahrhaftige, ich habe das noch nie gesehen.
Die großen Ginsbergreden, einzig nur der Schauspieler im Bild, auf dem Stuhl, auf der Couch, er redet, er gibt einen Begriff von diesem Dichter und armen Hund ... Das müssen Sie Sehen, liebe Leser!
Das Ordinäre, man kann es hören. Es ist, ich entschuldige mich, keusch gespielt, oder so was. Damit dieser Film eine Handlung wie Kino hat, wurde eine dubiose (Oder gab es die?) gerichtsähnliche Verhandlung anberaumt. Ginsberg im Geiste gegen eine amtliche oder halbamtliche Gerichtsverhandlung angesetzt, die der Ankläger und Befürworter christlich guter Sitten haushoch verliert. Er spielt einen Spießer, das muss man den Regisseuren übelnehmen, es ist dramaturgisch fragwürdig, es ist zu parteiisch. Der Verteidiger Ginsbergs ist ein hochgewachsener toll gekleideter und ein enorm schöner männlicher Mann. Er schafft es, dass Ginsberg als moralisches Wesen sehr gut wegkommt. Er kommt besser weg.
Das letzte Film-Bild zeigt Ginsberg als Vorleser. Vor Leuten, die ihn fasziniert ansehen. Er liest aus seinem Buch »Howl«, das ist »Die da heulen«. Ginsberg hat nur ein einziges Wort und variiert es. Wahrscheinlich stundenlang.
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