Neuer feministischer Schwung
Mehrere Bündnisse organisieren rund um den 8. März zahlreiche Veranstaltungen
Nachdem in den letzten Jahren am 8. März vor allem kulturelle Aktivitäten stattfanden, auf denen an die Teilnehmerinnen Rosen verteilt wurden und Parteien, Gewerkschaften oder NGOs Infostände aufstellten, regt sich seit kurzem wieder der jüngere, aktivistische und radikale Teil der feministischen Bewegung. Für diesen scheinen vorerst noch Selbstverständigungsprozesse nötig zu sein, die jedoch mit Elan angegangen werden.
In Berlin findet schon vom 4. bis zum 6. März ein Diskussions- und Vernetzungsevent zum Thema Queerfeminismus und Ökonomiekritik statt. Dabei geht es laut VeranstalterInnen darum, »ökonomische Fragen um die Dimension heteronormativer Vergeschlechtlichung zu erweitern bzw. Vergeschlechtlichung als eine für ökonomische Prozesse konstitutive Dimension zu begreifen«. Das übliche »gegenseitige Ausspielen von Queer und Feminismus, Sexismus und Rassismus« soll zumindest ansatzweise überwunden werden. Anhand der Themenfelder »Reproduktionsverhältnisse im 21. Jahrhundert« und »Gewaltökonomien« wollen die AktivistInnen einen neuen Ökonomiebegriff entwickeln und ausprobieren.
Viele dieser Fragestellungen werden in einer Mitte März beginnenden Veranstaltungsreihe unter dem Titel »Reclaim Feminism« wieder auftauchen. Ein Bündnis aus antifaschistischen und feministischen Gruppen will den diesjährigen 8. März zum Anlass nehmen, »um die Fragen nach einem linken Feminismus wieder zum Thema zu machen«. Dies scheint ihnen umso wichtiger, als dass Feminismus zwar verstärkt »in aller Munde« sei, jedoch neokonservative und -liberale Strömungen die Deutungshoheit gewonnen hätten. Die veranstaltenden Gruppen verstehen ihre Reihe als Suchbewegung, die schlaglichtartig einige wichtige feministische Themen aufgreift und zur Diskussion stellt. Die Inhalte der Veranstaltungen decken ein weites Spektrum ab: Queerfeministische Pornos, Sexismus und Antisemitismus, feministische Globalisierungskritik oder Strategien zur EU-weiten Legalisierung von Abtreibung. Jedoch soll es in der Reihe nicht nur um »Frauen« gehen, auch »Männer«-Politik und »Männer«-Bewegung werden kritisch beleuchtet und ein Workshop zu Männlichkeitsbildern in der Antifa angeboten. Damit nach den Diskussionen das Feiern nicht zu kurz kommt, laden beide Bündnisse dazu ein, mit ihnen zusammen am 6. März eine tosende feministische Party zu feiern.
Wiederum andere Aktivistinnen organisieren am 8. März um 18 Uhr eine Frauen-Lesben-Trans-Demo vom Berliner S-Bahnhof Pankow zur JVA für Frauen. In ihrem Aufruf kritisieren sie das Märchen von einer bereits erreichten Gleichberechtigung, das aber nichts mit der Realität von sozial benachteiligten Frauen oder Transgendern zu tun habe. Da gerade Frauen, die sich nicht an gesellschaftlichen Rollen und Normen anpassen wollten oder könnten, schnell in der Psychiatrie oder im Knast landeten, sei Solidarität mit diesen besonders wichtig.
Auch in anderen deutschen Städten wie in Nürnberg haben sich Bündnisse gegründet und wollen auf die Straße gehen. Eine bundesweite Mobilisierung zum zweiten Solidaritätstag mit dem Widerstand im Iran soll ausdrücklich im Zeichen der iranischen Feministinnen stehen. Aktionen oder Demonstrationen sind bereits für mehrere Städte geplant.
feministische-oekonomiekritik.org
reclaimfeminism.blogsport.de
frauenkampftagnbg.blogsport.de
antifateheran.blogsport.de
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