Halbgare Reform der Bologna-Reform
Politik und Unis versprechen bessere Studienbedingungen, doch wirklich ändern soll sich nichts
Margret Wintermantel hat einen Job, um den man sie wirklich nicht beneiden kann. Die Präsidentin der Technischen Universität Kaiserslautern muss als HRK-Präsidentin das Scheitern als Erfolg verkaufen. Dass sie von zu Hause aus Psychologin ist, mag die Sache für sie vielleicht leichter machen, am Ergebnis ändert es aber nichts: Die Hochschulrektoren wissen in ihrer Mehrheit immer noch nicht so recht, was sie mit der Bologna-Reform anfangen sollen. Eigentlich, so der Eindruck, sehnen sich viele nach den guten alten Diplom- und Magister-Abschlüssen zurück. Mit den im Zuge der Bologna-Reform eingeführten Bachelor- und Masterstudiengängen können sie sich nur schwer anfreunden.
Mit dem Bachelor als ersten berufsqualifizierenden Abschluss und dem darauf aufbauenden Master sollen die deutschen Universitäten und Hochschulen für den europäischen Hochschulraum fit gemacht werden. Doch vielfach, dass muss auch die HRK-Präsidentin zugeben, haben die Unis die Inhalte der alten Diplom-Studiengänge einfach eins zu eins in die neuen Studiengänge übertragen. Das führt zu einer Arbeitsbelastung, die von vielen Studenten kaum noch bewältigen ist. Zusätzlich hat jede Hochschule seine eigene Vorstellung davon, wie ein Bachelor- oder Masterstudium auszusehen hat. Für viele Studenten heißt dies, dass ein Wechsel von Uni A zu Uni B schwierig ist. Flankiert wird dieses geplante Chaos durch die Kultusministerkonferenz (KMK), die die Hochschulen weitgehend gewähren lässt.
Nach den Bildungsprotesten der letzten Monaten gelobten HRK und KMK Besserung. Doch die neuen Strukturvorgaben, die kürzlich beschlossen wurden, sind nur ein halber Kurswechsel, kritisiert der Hochschulexperte der Bildungsgewerkschaft GEW, Andreas Keller. In der Tat sind die Strukturvorgaben gespickt mit »Kann«-Formulierungen. So wird zwar die Zahl der maximalen Prüfungen pro Semester auf sechs begrenzt und den Studenten wieder die Möglichkeit eingeräumt, die Leistungsnachweise auch studienbegleitend, d.h. ohne Prüfung am Semesterende zu erbringen, dies aber nur in begründeten Ausnahmefällen.
»Es fehlt eine transparente Regelungen, die die Prüfungsbelastungen in allen Studiengängen auf ein zumutbares Maß beschränkt«, kommentiert Andreas Keller diese Vorgabe der KMK an die Hochschulen. Die inhaltliche Vergleichbarkeit der Studiengänge werde dadurch erschwert. Im Klartext: Jede Uni kann weiterhin die Strukturvorgaben so interpretieren, dass sie sich gegenüber unerwünschten Bewerbern von anderen Universitäten abschotten kann.
Auch beim Übergang vom Bachelor- zum Masterstudium gehen KMK und HRK wieder einen Schritt zurück. Noch im Sommer letzten Jahres hatte selbst Bundesbildungsministerin Annette Schavan öffentlich erklärt, dass das Masterstudium prinzipiell jedem Bachelor-Absolventen offen stehen müsse. Doch die KMK geht ihren eigenen Weg unbeirrt weiter. Die Länder sind künftig zwar nicht mehr wie bislang ausdrücklich verpflichtet, besondere Zugangshürden zu verlangen, die Hochschulen können solche aber »zur Qualitätssicherung oder aus Kapazitätsgründen« errichten, heißt es in dem KMK-Beschluss. Auch die HRK will von einer Liberalisierung des Master-Zugangs nichts mehr wissen. Margret Wintermantel hat vergangenen Woche der Öffentlichkeit auch das als Fortschritt verkauft.
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