Ton-Künstler

Bruno Ganz ist alleiniger Juror für den Alfred-Kerr-Preis beim Berliner Theatertreffen

  • Hans-Dieter Schütt
  • Lesedauer: 2 Min.

Er würde schwören, schrieb der Dichter Botho Strauß, »dieser Schauspieler hat noch nie über einen Satz hinweggesprochen«. Gesagt im Jahre 1966, da bekam Ganz den Iffland-Ring vom Wiener Joseph Meinrad, per Testament; immer gibt ein Schauspieler diese Ehrung weiter. Wer den Ring auf Lebenszeit bekommt, bleibt bis zum Begräbnis des jeweiligen Trägers ein Geheimnis. Diesen mit Brillanten geschmückten Metallreif trugen, seit 1832: Devrient, Döring, Haase, Bassermann, Krauss. Ganz ist Teil eines mythischen Stücks Theatergeschichte. Wenn er nun der Juror für den Schauspieler-Preis des Berliner Theatertreffens im Mai ist, so steht fest: Hier prüft ein Ton-Künstler.

Der Schweizer, 1941 als Arbeiterkind in Zürich geboren (der Vater Schweizer, die Mutter Italienerin), ist als Künstler absolute Präsentationslosigkeit außerhalb der Rolle; ein Ernsthafter, Stiller, mit tiefem Blick in die Schwierigkeiten menschlicher Natur. Als junger Mann brach er auf in die Truppe um Peter Zadek in Bremen, ging nach West-Berlin an die Schaubühne Peter Steins. Wurde der Charakterglanz in Filmen von Wenders, Rohmer, Herzog.

Er spielte in den letzten Jahren überhaupt verstärkt fürs Kino, wahrscheinlich, weil er Rückgänger ins Innere ist. Schauspiel auf der Bühne ist immer auch Wille nach außen. Vom Hitler im »Untergang« abgesehen (ein Sieg der Lust und der Neugier über die Last der Bedeutung): Ganz ist kein expressiver Verwandler, in seinem Gehen, Dastehen oder Dasitzen bildet er mit jeder Geste ein geheimnisvolles Gelände, das die Kamera wohl klarer, reicher abtastet. Das Wüste drängt sich ihm ins Sanfte, das Schreckliche ins Philosophische. Um den Einzelgänger ist ein hoher Raum des Anspruchs, den er so vorzüglich wie vorsichtig durchschreitet. Immer nah an einer ver-rückten, skurrilen Trauer; stets gefasst auf eine Einsamkeit, die allem Wesentlichem eigen ist.

Es ist die Einsamkeit eines Künstlers, der zu verschlossen ist, um sich in der Rolle des regen Vermittlers zu betätigen. Und der freilich trotz seiner hohen Kunst des leisen Beiseitetretens nicht davon absieht, verstanden zu werden. Der in fremder Haut sucht, was noch unter die Haut geht. In einer Welt, die alle Haut zu Markte trägt.

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