Mit Vollgas zur Datenautobahn
Bund versteigert trotz Warnungen und Klagen neue Mobilfunkfrequenzen
Dass ausgerechnet in Mainz, auch Sitz des ZDF, die bislang größte Versteigerung von Mobilfunkfrequenzen stattfindet, kann als Provokation gewertet werden. Unterm Hammer der in der rheinland-pfälzischen Stadt ansässigen Bundesnetzagentur liegen seit gestern vor allem ehemalige Fernseh- und Rundfunkfrequenzen, welche die Anstalten nicht freiwillig abgeben und daher vor Gericht gezogen sind. Doch die Agentur, die für die Regulierung der Infrastrukturnetze im Energie-, Bahn-, Post- und Telekomsektor zuständig ist, blieb hart. Nach Lesart der Bundesbehörde reicht es, wenn das hochauflösende oder das 3-D-Fernsehen der Zukunft über Kabel, Satellit und Breitbandinternet ausgestrahlt werden. Die durch Digitalisierung freigewordenen terrestrischen Frequenzen können daher anderweitig genutzt werden. Die Netzagentur spricht, ebenfalls provozierend, von »digitaler Dividende«.
Vor allem die Mobilfunk-Platzhirsche – die Telekom-Tochter T-Mobile und Vodafone Deutschland, die es zusammen auf rund 70 Prozent Marktanteil bringen – möchten diese Dividende »einstreichen«. Netzagentur-Chef Matthias Kurth verspricht durch die Auktion zwar mehr Wettbewerb in diesem Sektor: Wer für das mobile Internet rasch ein besonders gutes Netz aufbaue, werde auch die meisten Kunden gewinnen und abwerben. Gegen größere Marktveränderungen spricht aber, dass die mitbietenden kleineren Mobilfunknetzbetreiber O2 Telefonica und E-Plus ebenfalls geklagt haben – gegen die Details der Ausschreibung, die nach ihrer Meinung die Marktführer bevorzugen. Und branchenfremde Interessenten wie die mittelständische Airdata bleiben der Versteigerung gleich ganz fern.
Die überstürzte Aktion, die erste ihrer Art in Europa überhaupt, begründet Behördenchef Kurth mit einem »öffentlichen Interesse an einer raschen Frequenznutzung«. Die vierte Mobilfunkgeneration LTE (»Long Term Evolution«) soll nicht nur den Datenbedarf neuer Handys mit ihren wachsenden Möglichkeiten an Internetapplikationen befriedigen, sondern insbesondere auch die letzten weißen Flecken mit schnellen Internetverbindungen von der Landkarte tilgen helfen – ein Steckenpferd vieler Politiker in Bund und Ländern. Das Mobilfunknetz ist wesentlich dichter geknüpft als etwa das Glasfasernetz, dessen Ausbau die Telekom Milliarden kostet und in strukturschwachen Regionen keinerlei Rendite verspricht. Die Auktion ist an die Bedingung geknüpft, dass die Käufer der Frequenzen beim Netzausbau in schwach besiedelten, bisher unversorgten Gebieten anfangen. Bis zum Jahr 2016 müssen die Käufer mindestens 90 Prozent der ländlichen Bevölkerung mit einem schnellen Internetanschluss versorgen. Dabei würde helfen, dass in den kommenden Wochen auch besonders leistungsfähige Frequenzen im Spektrum um 800 Megahertz versteigert werden.
Es gibt auch ganz schnöde ökonomische Interessen, die die rasche Frequenzfreigabe erklären. Vor allem Unternehmen verlangen nach immer rascherem Zugang zu den Datenautobahnen. Ohne diesen hat eine Kommune einen massiven Standortnachteil. LTE hat hierbei den Vorteil, kostengünstig zu sein. Oft reicht es, vorhandene Mobilfunkmasten einfach umzurüsten. Ein weiterer Vorteil: Der Standard erlaubt höhere Geschwindigkeiten beim Datenverkehr – nicht nur im Vergleich zum existierenden mobilen Internetzugang via USB-Stick, sondern auch zu schnellen festen Leitungen. Politiker in Deutschland und der EU träumen schon von der »Gigabit-Gesellschaft«. Branchenlobbyisten knüpfen hier an und fordern, wie Vodafone-Deutschland-Chef Friedrich Joussen, einen »Masterplan« für die Stärkung der europäischen »Führungsrolle« bei LTE.
Wohl auch deshalb wird ignoriert, dass die Gesundheitsgefahren durch den dann weiter zunehmenden Elektrosmog noch immer nicht ausreichend erforscht sind. Die bisherigen EU-Grenzwerte werden längst nicht nur von Umweltschützern als unzureichend kritisiert. Und Verbraucherschützer warnen vor massiver Störung des Fernsehens über Antenne und via Kabel – dank LTE.
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