An Daimlers Profiten klebt Blut

Der Anti-Apartheid-Aktivist Mpho Masemola will nicht ruhen, bis der Konzern seine Archive öffnet und Entschädigungen zahlt

Für Mpho Masemola ist der Kampf gegen die Apartheid noch nicht zu Ende. Der einstige Anti-Apartheid-Aktivist kämpft mit der 1995 parallel zur Wahrheits- und Versöhnungskommission gegründeten Khulumani Support Group für Entschädigungen. Derzeit wirbt er in Deutschland für das Anliegen, am Mittwoch bei der Hauptversammlung von Daimler, tags zuvor besuchte er das Neue Deutschland.

Mpho Masemola lässt keinen Zweifel zu: An den Profiten von Daimler klebt Blut aus der Apartheid-Ära, Blut, das bis heute ungesühnt ist. Masemola war bereits in jungen Jahren gegen die Apartheid aktiv. 1984 wurde er verhaftet, gefoltert und zu fünf Jahren Haft auf Robben Island verurteilt. Gebrochen hat ihn das nicht. Nach seiner Entlassung organisierte er weiter Demonstrationen. Während eines Aufstandes 1991 wurde er von Scharfschützen der Polizei getroffen. Die Schrapnelle befinden sich noch immer in seinem Kopf und beeinträchtigen seine Gesundheit.

Anmerken lässt er sich nichts. Nach Deutschland ist er gereist, um der Forderung nach Entschädigung Nachdruck zu verleihen. Sei es durch seine Rede vor der Daimler-Hauptversammlung am Mittwoch, sei es durch die Unterschriftenkampagne »Daimler – The Star of Apartheid«, die die Khulumani Support Group zusammen mit vier deutschen Organisationen (KASA, KOSA, medico international und SODI) angeregt hat. Masemolas Organisation vertritt 58 000 Überlebende und Opfer der Apartheid sowie ihre Familien.

Für Masemola ist offensichtlich, dass sich etliche Unternehmen bis heute weigern, Verantwortung für ihre Missetaten zu Apartheid-Zeiten zu übernehmen: »Daimler und Rheinmetall haben bisher versagt, ihren Beitrag für den Wahrheits- und Versöhnungsprozess zu leisten. Laut den Statuten der Wahrheitskommission sollten Täter und Opfer vor der Kommission die Schreckensgeschichte der Apartheid darlegen. Die Täter sollten sich zu ihrer direkten und indirekten Verantwortung bekennen. Das ist nicht geschehen«, kritisiert Masemola im ND-Gespräch das Verhalten vieler Banken und multinationaler Konzerne.

Da die Wahrheitskommission ihre Arbeit beendet hat, beschreitet Khulumani inzwischen andere Wege, um Unternehmen zur Verantwortung zu ziehen und die Öffnung ihrer Archive aus der Apartheid-Zeit zu erreichen. Seit 2002 werden Daimler, Rheinmetall, General Motors, Ford und IBM in den USA auf Entschädigung verklagt. Mit Aussicht auf Erfolg: Im April 2009 hat ein Bundesbezirksgericht in New York die Sammelklage der Apartheid-Opfer zugelassen. Derzeit prüft ein Berufungsgericht in New York, ob die Klage tatsächlich rechtens ist.

Grundlage der Klage gegen Unternehmen, die das Apartheid-Regime gestützt haben, ist der Vorwurf der Beihilfe zu schweren Menschenrechtsverletzungen. Für Masemola ist das im Falle Daimler eine klare Sache: »Die UNO hat bereits 1966 die Apartheid als Verbrechen gegen die Menschheit klassifiziert. Daimler hat trotzdem weiter mit der südafrikanischen Regierung Geschäfte gemacht. Damit ist eindeutig: Daimler hat das Apartheid-Regime zur Generierung von Profiten benutzt, auf denen die heutigen Gewinne aufbauen.«

Daimler stattete Polizei und Militär mit Fahrzeugen und Maschinen aus – nach Meinung des Konzerns in Übereinstimmung mit internationalen und deutschen Gesetzen, nach Meinung von Masemola schlicht ein Verbrechen im Zeichen des Sterns. »Die Beschäftigten von Daimler und ihre Angehörigen, die Aktionäre von Daimler, alle sollen darüber in Kenntnis gesetzt werden, dass im Namen der Geschäftemacherei Menschen getötet wurden und Daimler daran direkt und indirekten Anteil hatte. An Folter, am Verschwindenlassen von Menschen, an Justizmorden.« Im Gegensatz zu anderen Unternehmen hat Daimler selbst noch nach dem UNO-Waffenembargo 1977 das Regime mit multifunktionalen Unimogs versorgt.

Masemolas Optimismus, dass die anhängige Klage gegen Daimler in den USA von Erfolg gekrönt sein wird, hat Ende März neue Nahrung erhalten. Da hat das US-Justizministerium den Stuttgarter Autobauer angeklagt, weil der Konzern in mindestens 22 Ländern mit Schmiergeldzahlungen gegen US-amerikanische Gesetze verstoßen haben soll. Zwar ein anderer Fall, aber doch vergleichbar: Ein deutscher Multi verstößt außerhalb der USA gegen ein USA-Gesetz und wird in den USA belangt. Erst wenn Daimler und die anderen in New York verklagten Konzerne ihre Archive aus der Apartheid-Zeit öffnen, ihre Schuld bekennen und Entschädigungen zahlen, kann das Kapitel Apartheid geschlossen werden, macht Masemola deutlich. Diesem Ziel hat er sich kompromisslos verschrieben: Bis dahin verfolge ich Daimler bis ans Ende der Welt.

Doch davor kommt die Fußballweltmeisterschaft ab Mitte Juni in Südafrika. »Wir werden die internationale Medienpräsenz nutzen, um Daimlers Verstrickung in die Apartheid-Ära global sichtbar zu machen«, kündigt Masemola an. Daimler, Hauptsponsor der deutschen Nationalmannschaft, muss sich nicht nur wegen des südafrikanischen Winters warm anziehen.

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