Vom Klima- zum Systemwandel
Erstmals finden wichtige Klimadebatten außerhalb des UN-Prozesses statt
Zur »Weltkonferenz der Völker« in Cochabamba haben nicht die Völker eingeladen, sondern die bolivianische Regierung: Auf der gescheiterten Klimakonferenz in Kopenhagen vor vier Monaten kündigte Präsident Evo Morales das Alternativtreffen an, das ohne die UNO, ohne die USA und ohne Kapitalisten stattfindet.
In der dänischen Hauptstadt glänzten Morales und sein venezolanischer Kollege Hugo Chávez mit Systemkritik: Beide waren als erste Staatschefs nach Kopenhagen gereist und schreckten die Gipfelteilnehmer gleich am ersten Tag mit glasklaren Botschaften: »Nieder mit der imperialistischen Diktatur«, stimmte Chávez an. Ihm gehe es nicht primär um die Klimafrage, sondern um die Überwindung des Kapitalismus: »Die kapitalistische Produktionsweise ist dabei, unseren Planeten zu zerstören«, so Chávez auf dem UN-Gipfel. Auch Morales wurde nicht müde zu betonen, dass »weder das Leben noch der Planet Erde einen Preis haben«. Beide Staatschefs kritisierten, dass das kapitalistische System die »Mutter Erde« zu einer Ware mache. Ebenso wie die sozialen Probleme sei der Klimawandel das traurige Ergebnis des kapitalistischen Wirtschaftssystems.
Mit ihrer Kritik standen die sozialistischen Staatschefs auf dem Klimagipfel allerdings weitgehend allein da, schließlich gelten Maßnahmen wie der Emissionshandel der UN und nicht der Sozialismus als wichtigste Instrumente zur Klimarettung. Nur vor den Toren des Verhandlungszentrums, in den Reihen der Klimaaktivisten, fanden Morales und Chávez viele Unterstützer. Mit ihnen zusammen sollen nun in Bolivien »Initiativen zur Rettung der Menschheit« gesucht werden, wie es Morales im Vorfeld des Gipfels betonte. Bei Alternativen waren die beiden Staatschefs aber in Kopenhagen auch noch sehr vage geblieben: Chávez erklärte auf einer Pressekonferenz, dass er die Erde mit Aufforstung retten wolle, und Morales appellierte daran, dass die westliche Welt ihren Lebensstil ändern müsse. Der bolivianische Klimabeauftragte Pablo Solon ist dagegen optimistisch, dass man sich bei dem Alternativgipfel auf konkrete Lösungsvorschläge einigen werde. Er hofft sogar, diese dann in den UN-Prozess mit einzubringen.
Eines ist sicher: Die Teilnehmer haben längst die Geduld mit den von der UNO geleiteten Klimaverhandlungen verloren. Beklagt werden nicht nur die Dominanz der USA und die kapitalistischen Lösungsansätze, sondern auch, dass einfach nichts herauskommt. Das letzte Treffen in Bonn vor zwei Wochen hat die Gräben zwischen westlichen Staaten und Teilen der armen Länder weiter aufgerissen: Streit gab es um den »Copenhagen Accord« – das magere Abschlussdokument des UN-Gipfels war nur zur Kenntnis genommen worden und schreibt keine verbindlichen Maßnahmen fest. Während die US-Delegation den Entwurf als »einen Meilenstein« bezeichnete, wollen Länder wie Bolivien, Venezuela und auch afrikanische Staaten nicht unterschreiben. Sie kritisieren nach wie vor, dass es kein demokratisches Verfahren gegeben habe. Die USA wollen das Dokument nun auf Biegen und Brechen zur Grundlage weiterer Verhandlungen machen und drohen den widerspenstigen Staaten: So macht Washington die Unterzeichnung des Papiers nun zur Bedingung für die Auszahlung der Klimahilfen an arme Länder. Erpressung, sagen die Betroffenen. Boliviens Delegationsleiter Solón bestätigte in Bonn, dass die USA dem lateinamerikanischen Land die zugesagten Klimahilfen in Höhe von drei Millionen US-Dollar verweigern.
In Cochabamba wollen die »Abtrünnigen« zeigen, wie »wahre Demokratie« aussieht. Ob dies auf die UN-Verhandlungen wirkt, ist zweifelhaft. Immerhin sagt das UN-Klimasekretariat, dass es auch bei den Gipfeln nicht demokratischer zugehen kann – schließlich herrscht in den Verhandlungen offiziell das Konsensprinzip.
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