ARD-Sendung »Report Mainz« geht Satiriker auf den Leim
Der NRW-LINKEN wurde von einem Polit-Magazin DDR-Nostalgie unterstellt – mit eher mäßigem Erfolg
Es ist der 7. Mai 2010. In zwei Tagen wird der neue NRW-Landtag gewählt. Auf dem Kölner Heumarkt hält die LINKE ihre Wahlkampfabschluss-Veranstaltung ab. Droben auf der Bühne steht Parteiprominenz: Gregor Gysi und Oskar Lafontaine, dazu die beiden NRW-Spitzenkandidaten Bärbel Beuermann und Wolfgang Zimmermann. Unten im Publikum steht er: Günther Jansen, 50, Aktionskünstler und Aktivist des Satire-Projekts »Die Partei«, die ein Ableger des »endgültigen Satiremagazins« namens »Titanic« ist. Mit Jansen sind drei »Partei«-Freunde vor Ort. Sie verteilen Flugblätter bei der Konkurrenz. Jansen schwenkt eine selbst gebastelte DDR-Fahne, »immer dann«, so sagt er dem ND, »wenn das Publikum applaudiert«.
Die LINKEN sind nicht begeistert: Sie bitten den Künstler, den Heumarkt zu verlassen. Er bleibt, auch als er von »einem älteren Herrn als Arschloch beschimpft« wird. »Irgendwann stand jemand mit einer Kamera und einem Mikrofon nahe bei mir«, erzählt Jansen. »Ich habe die Gelegenheit genutzt und unser Parteilied angestimmt: Die Partei, die Partei, die hat immer recht!«. Doch das »Lied der Partei«, 1949 von Louis Fürnberg verfasst, ist nicht nur die aktuelle und ironisch goutierte Hymne von »Die Partei«. Das Stück war zudem eine Lobeshymne der SED. Sie zeugt durchaus nicht von demokratischem, sondern bejubelt »Stalinschen Geist«.
Und das wird Jansen zum Verhängnis: Plötzlich steht er als Kronzeuge da für die angebliche DDR-Nostalgie der nordrhein-westfälischen LINKEN. Denn am Montag Abend berichtete das ARD-Polit-Magazin »Report Mainz«, »wofür die neuen Landtagsabgeordneten der Linken in NRW stehen«: Sie seien »DDR-nostalgisch und linksextrem«, so auch der Titel des Berichts. Ein Mann taucht immer wieder auf, gleichsam als »running gag« des Beitrags. Er verbindet Interview-Fragmente und fragwürdige Film-Einspielungen. Er singt: »Die Partei hat immer recht!«. Er schwenkt eine DDR-Fahne. Er heißt Günther Jansen.
»Ich war sehr überrascht«, sagt der Kölner Künstler. Erst bekommt er »eine E-Mail, in der stand, dass ich in ganz anderem Kontext gezeigt wurde, um die LINKE zu diffamieren.« Dann schaut er selber nach, im Internet, wo der Beitrag zu sehen ist. Jansen klingt erzürnt: »Die LINKE soll in eine bestimmte, DDR-nostalgische Ecke gedrängt werden«, schimpft er. »Ich fühle mich missbraucht!«
Er und seine Spaß-Partei-Freunde fänden die Linkspartei eigentlich ganz sympathisch, sagt Jansen. »Das Ganze war doch eine satirische Aktion, ein Gruß an die LINKE«, beteuert er. »Wir singen der LINKEN ein Lied« – nein, wirklich feindselig hört sich das Aktionsmotto nicht an. Und doch: »Report Mainz«. Der Bericht. Und im Mittelpunkt: Günther Jansen.
Jansen ist an diesem Freitag gekleidet wie ein Paradiesvogel. So ziert ein schwarzes Käppi seinen Kopf, ein Käppi, wie es muslimische Imame tragen. Um seinen Hals hängt eine Krawatte, für die selbst stellvertretende Filialleiter der Kreissparkasse Soltau-Fallingbostel gefeuert würden. Fristlos. Jansen ist, freundlich formuliert, verhaltensauffällig. Kein Wunder: Jansen spielt eine Rolle, ist in die Figur »schwarzer Imam« geschlüpft, die er vor sechs Jahren schuf, »um Ideologien zu hinterfragen«.
Ob das TV-Team bei all dem nicht stutzig geworden sei? »Nee, die haben einfach immer draufgehalten mit der Kamera.« Die Fernsehleute hätten nicht nachgefragt, was er, Jansen, da eigentlich mache. Ob er Mitglied oder wenigstens Sympathisant der LINKEN sei. Warum er so direkt in das Mikrofon singe. Und dermaßen begeistert für die Kamera posiere. »Die sind«, sagt Jansen, »irgendwann wortlos abgezogen.«
Der »Report«-Bericht ist noch in anderer Hinsicht fragwürdig. So wurden vier neue Landtagsabgeordnete interviewt. Der Vorwand: Man wolle sie zu den letzten 48 Wahlkampf-Stunden befragen. Stattdessen wurden sie mit Fragen zu Mitgliedschaften in als linksradikal geltenden Organisationen und in LINKE-Strömungen konfrontiert (ND berichtete). Am Schneidetisch wurden offenbar bewusst unvorteilhafte O-Töne ausgewählt. Auch soll eine – in diesem Kontext durchaus nicht überflüssige – klare Gewaltabsage unterschlagen worden sein.
Günther Jansen, dem Kronzeugen wider Willen, bleibt derweil nur eine vage Hoffnung: »Der Bericht ist so extrem schlecht gemacht, dass es den Leuten eigentlich auffallen muss.«
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