PLATTENBAU

  • Antje Rößler
  • Lesedauer: 3 Min.

Kaum eine Rockgruppe ist im Jazzlager angesehener als Sonic Youth. Die »Könige des amerikanischen Independent-Underground« (Rolling Stone) haben unsere Klangwahrnehmung verändert. Ihre rabiate Krach-Musik reizt mit Rückkopplungen, Dissonanzen und chaotischen Improvisationen die Extreme des Gitarrendröhnbereichs aus. Andererseits sind Sonic Youth auch eingängigen Pop-Melodien nicht ganz abgeneigt, was ihrer Musik eine schillernde Vieldeutigkeit und den Ehrentitel »Kunst-Punk« eingebracht hat.

Aber bei aller Hochachtung auf Seiten der Jazz-Fraktion – adaptiert von Jazzern wurde die Musik der New Yorker Vierergruppe um Thurston Moore und seine Frau Kim Gordon bislang kaum. Diesen Sachverhalt ändert jetzt das Schweizer Jazztrio Rusconi, das sich Sonic Youth auf einem nicht gerade naheliegenden Weg nähert: Es übersetzt deren energiegeladene Gitarrenfront in ein akustisches Klaviertrio. Das Ergebnis ist das Album »It's A Sonic Life«.

Dieses Projekt darf man sich nun nicht so vorstellen, als würden hier drei Fans die Musik ihrer Lieblingsband covern. Der Pianist Stefan Rusconi, Bassist Fabian Gisler und Schlagzeuger Claudio Strüby haben sich von den Originalen weit entfernt. Einige Stücke funktionieren wie Coverversionen, andere heben nur einzelne Elemente der ursprünglichen Songs hervor. Bei »The Destroyed Room« etwa setzen Rusconi die Krach-Ästhetik derart überzeugend um, dass der Hörer sich fühlt, als würde ein Bohrer durch seine Schädeldecke dringen. Manchmal aber übernehmen die Schweizer Musiker nur eine Stimmung oder den Groove. Drei Eigenkompositionen, die sich in die verjazzte Sonic-Youth-Klangwelt bestens integrieren, runden die Platte ab.

Nun ist der Wechsel vom martialisch verstärkten Gitarrengewitter zum gänzlich akustischen Trio kein problemloser. Um den fehlenden Druck aus der Steckdose wettzumachen, ziehen Rusconi im Tempo zuweilen kräftig an. Und da sie auch auf eine Stimme, die Geschichten erzählt, verzichten müssen, haben sie sich allerlei einfallen lassen, um die Langeweile zu umgehen, die droht, wenn drei Instrumentalisten Sonic Youth interpretieren. Mal verleihen sie den Songs eine besonders kühle Aura, als ob es sich um elektronische Musik handelte. Mal verdichten sie die Stücke durch improvisierte Einlagen. Dann wieder beginnen sie mit einer langsamen Einleitung und lassen die Musik ganz allmählich in Fahrt kommen.

Es ist vor allem der Pianist Stefan Rusconi, der den Energiefluss am Laufen hält. Manchmal beschränkt er sich auf den minimalistischen Gebrauch der rechten Hand, dann wieder verfällt er in üppige, vollgriffige Akkorde – stets aber behält sein Spiel rhythmischen Drive und eine unterschwellig rumorende Sprengkraft.

»It's A Sonic Life« ist eine Liebeserklärung auf dem Wege kreativer Eigenleistung. Das i-Tüpfelchen dieser Huldigung ist das Plattencover: Sonic Youth engagieren dafür manchmal bildende Künstler; Rusconi haben Pipilotti Rist angeheuert. Das Booklet wird durch die knallbunten, abstrakten Fotomontagen der Schweizer Künstlerin zum Bestandteil eines Gesamtkunstwerks.

Rusconi: It's A Sonic Life (Sony Classical)

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