- Politik
- Vertreter des Bundes und der Länder beim dritten Bildungsgipfel
Angela und die Länderfürsten
In Zeiten der Krise ist auch das Ziel höherer Bildungsinvestitionen in Gefahr
Es war eines der zentralen Versprechen des Duos Merkel/Schavan: Die öffentlichen Ausgaben für Bildung und Forschung sollen bis 2015 auf zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gesteigert werden, mehr als zwei Drittel davon – sieben Prozent des BIP – sollen allein auf den Bildungssektor entfallen. Das ist ein ambitioniertes Ziel, wenn man bedenkt, dass noch vor einigen Jahren der Anteil der Bildungsausgaben am BIP kaum fünf Prozent betrug und damit unterhalb des Durchschnitts anderer Industrieländer lag.
Um den Bundesländern die Sache schmackhaft zu machen – schließlich tragen die Länder die Hauptlast bei den Bildungsinvestitionen – hatten Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre Bildungsministerin Annette Schavan noch vor einem halben Jahr zugesagt, den Bundesanteil von 10 auf 40 Prozent zu erhöhen.
Das war vor der Griechenland- und der Euro-Krise. Offiziell versichert die Bundesregierung vor dem heutigen dritten Bildungsgipfel zwar, weiter am Ziel der deutlichen Erhöhung der Bildungs- und Forschungsausgaben festzuhalten. »Ich bin zuversichtlich, dass der 10. Juni ein positives Signal für Bildung und Forschung aussenden wird«, erklärte Annette Schavan Anfang dieser Woche im Nachrichtenmagazin »Focus«. Die Sparbeschlüsse der schwarz-gelben Koalition nehmen den Bereich Bildung nachdrücklich aus. Der Bund verspricht, allein in diesem Jahr 12 Milliarden Euro zusätzlich für Bildung und Forschung bereitzustellen.
Doch der Widerstand aus den Ländern wird größer. Berichten zufolge drängen die Ministerpräsidenten darauf, dass der Bund seinen Anteil an den Ausgaben für Schulen und Hochschulen über die bislang in Aussicht gestellten 40 Prozent erhöht. Als erster verließ Hessens Ministerpräsident Roland Koch die »Parteilinie« der Union. In Zeiten der Krise müssten Abstriche auch bei den Zusagen für höhere Bildungsinvestitionen gemacht werden, erklärte der CDU-Politiker Mitte Mai.
Wie gut die Länderfürsten den Bund ausbremsen können, zeigte sich Ende letzter Woche. Auf der Tagessordnung im Bundesrat stand am Freitag die Erhöhung der Bafög-Fördersätze um zwei Prozent. Die Ländervertretung versagte dem allerdings ihre Zustimmung und machte diese von weiteren Finanzierungsbeteiligungen des Bundes abhängig. Um die Mehrkosten von rund 530 Millionen Euro auszugleichen, müsse der Bund die Länder mit zusätzlichen Umsatzsteuermitteln unterstützen. Darüber solle auf dem Bildungsgipfel gesprochen werden.
Kritiker fürchten, dass damit das das Ende aller Finanzierungsversprechen im Bildungssektor eingeläutet wird. So zweifelt die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ingrid Sehbrock am Willen der Ministerpräsidenten, mehr Geld für Bildung auszugeben. Schon nach den ersten beiden Bildungsgipfeln seien die Länder »nicht wirklich vertragstreu« gewesen. »Milliarden aus der Umsatzsteuer drohen in den allgemeinen Haushalten zu versickern«, sagte Sehbrock am Dienstag. Der GEW-Vorsitzende Ulrich Thöne nannte es Ende letzter Woche fraglich, dass das ehrgeizige Ziel, bis 2015 jährlich zehn Prozent des BIP für Bildung und Forschung auszugeben, tatsächlich erreicht wird. Die Finanzzusagen von Bund und Ländern seien nicht ausreichend. »Gemessen an international gültigen Standards müssten jährlich 50 Milliarden Euro zusätzlich in den Bildungsbereich fließen«, rechnete der GEW-Chef vor.
Dass die Chemie zwischen Bundestag und Bundesrat in bildungspolitischen Fragen derzeit alles andere als stimmig ist, dokumentiert ein Vorfall zu Beginn der Woche. Der Bildungsausschuss des Bundestages hatte zur aktuellen Anhörung über die Bafög-Novelle den Präsidenten der Kultusministerkonferenz (KMK), Ludwig Spaenle, geladen. Doch der bayerische Kultusminister gab dem Bundestagsausschuss einen Korb und verwies auf die »ausführlichen Stellungnahmen der Länder dazu im Bundesrat«. Dies sei eine »Missachtung des Parlaments« kommentierte Priska Hinz von den Grünen das Verhalten des CSU-Politikers.
Dass es dem Duo Merkel/Schavan heute dennoch gelingen könnte, seine finanziellen Versprechen zu halten, ist einem politischen Trick geschuldet. Entsprechende Vorschläge dazu stammen von den Länderfinanzministern. Diese hatten Ende 2009 vorgerechnet, dass man sich dem Zehn-Prozent-Ziel zumindest theoretisch annähern könne, indem man die Pensionszahlungen für Lehrer sowie private Ausgaben für Kita-Gebühren und Schulgeld mit einbezieht.
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