Streit um das Screening
Studie: Mammografie-Programm senkt Brustkrebs-Mortalität nicht
Zu den schärfsten europäischen Kritikern der Früherkennung zählen seit Langem die dänischen Forscher Peter Gotzsche und Karsten Jorgensen. Um die Auswirkung der Vorsorge zu prüfen, verglichen sie die Brustkrebs-Mortalitäten verschiedener dänischer Regionen. In Kopenhagen und auf der Insel Funen wird Frauen seit Anfang der 1990er Jahre ein Screening angeboten, ähnlich wie in Deutschland. In den übrigen Landesteilen gibt es kein solches Programm.
Wie die Wissenschaftler im »British Medical Journal« berichten, ging die Brustkrebs-Sterblichkeit bei Frauen der Altersgruppe von 55 bis 74 Jahren in Kopenhagen und auf Funen jährlich um etwa ein Prozent zurück. Aber in den anderen Regionen sank sie pro Jahr ebenfalls, sogar um zwei Prozent. Den allgemeinen Rückgang erklären die Forscher vor allem mit den besseren Behandlungsmöglichkeiten. Ihr Fazit: »Wir waren nicht in der Lage, eine Auswirkung des dänischen Screening-Programms auf die Brustkrebs-Mortalität zu finden.«
Damit widersprechen sie einer 2005 veröffentlichten dänischen Studie, derzufolge das Programm in Kopenhagen die generelle Brustkrebs-Mortalität um 25 Prozent und das Sterberisiko der Teilnehmerinnen sogar um 37 Prozent verringerte. Nikolaus Becker vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg beanstandet an der neuen Studie methodische Mängel. Das deutsche Mammografie-Screening hält der Epidemiologe grundsätzlich für sinnvoll.
»Die Teilnahme an dem Programm senkt das Sterberisiko um etwa 35 Prozent«, sagt Becker und unterstreicht einen weiteren Aspekt, der in der Debatte oft zu kurz kommt: Die frühe Diagnose eines Tumors verringert nicht nur das Sterberisiko einer Frau, sie ermöglicht Ärzten oft auch ein schonenderes Vorgehen – etwa eine schwächer dosierte Chemotherapie oder eine brusterhaltende Behandlung.
Kritiker bemängeln allerdings, die Vorteile würden teuer erkauft: Durch Fehlalarme, die die Betroffenen in Angst versetzen, oder durch Überdiagnosen – also die Behandlung von Tumoren, die andernfalls keine Probleme bereiten würden. Beide Vorwürfe sind berechtigt. Aber bei Brustkrebs lässt sich ein auffälliger Befund – im Gegensatz etwa zum Prostatakarzinom – in den meisten Fällen ohne Biopsie abklären. »Man sollte Frauen schon vor dem Screening darüber aufklären, dass sich acht bis neun von zehn Verdachtsfällen als harmlos erweisen«, betont Becker. Zum Problem der Überdiagnose gibt es bislang nur wenige gute Studien. Demnach kommt auf jede Patientin, der eine zeitige Diagnose das Leben rettet, etwa eine Frau, die sich unnötig einer Krebstherapie unterzieht.
Zahlen & Fakten
Nehmen 200 Frauen 20 Jahre lang zweijährlich an dem Screening teil, sind die Befunde bei 140 von ihnen harmlos. 60 der insgesamt 2000 Mammografien sind auffällig. Bei zwei Drittel dieser Frauen entkräften weitere nicht-invasive Untersuchungen den Verdacht. 20 Frauen wird eine Biopsie empfohlen. Bei der Hälfte von ihnen erweist sich der Verdacht ebenfalls als unbegründet. Bei zehn Frauen wird Brustkrebs festgestellt.Drei der übrigen 190 Frauen erhalten in 20 Jahren zwischen zwei Screening-Runden ebenfalls die Diagnose Brustkrebs. Drei der insgesamt 13 Patientinnen sterben an dem Tumor. Bei einer der übrigen zehn Frauen hätte der Tumor keine Probleme verursacht. Acht weitere wären auch ohne Vorsorge erfolgreich behandelt worden – mitunter aber mit aggressiverer Therapie. Einer von 200 Frauen rettet die Früherkennung das Leben. ww
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