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  • 44. Montreux Jazz Festival

Am Ende der Einsamkeit findet sich der »Man of the Hour«

Norah Jones begeisterte beim 44. Montreux Jazz Festival

  • Christoph Nitz, Montreux
  • Lesedauer: 3 Min.
Norah Jones
Norah Jones

Zum Ende ihres begeistert aufgenommenen Auftritts beim 44. Montruex Jazz Festival am 3. Juli erhielt Norah Jones viel Lob und Blumen von Quincy Jones und Festivalgründer Claude Nobs. Zuvor hatte die Künstlerin im überfüllten Auditorium Stravinski eine Reise durch ihre inzwischen zehn Jahre andauernde Karriere unternommen. Seit ihrem Debüt »Come away with me« im Jahr 2002 verkauften sich vor allem ihre Alben wie geschnitten Brot und ihre Arbeiten zwischen Soul, Folk und Jazz wurden mit vielen Preisen - darunter bis heute zehn Grammy Awards - ausgezeichnet. In Deutschland wurde besonders der Titel »Sunrise« vom zweiten Album »Feels like home« bekannt.

Mehrere Lampen gaben der Bühne das heimelige Ambiente einer kleinen Bar irgendwo auf der Welt. Jones hatte im vergangenen Jahr mit dem von Jaquire King (der unter anderem die Kings of Leon unter seinen Klienten hat) produzierten Album »Fall« ihrem Repertoire rockigere, mehr vom Sound der gesamten Gruppe getragene Songs wie »Chasing Pirates« und »Young Blood« hinzugefügt, die sich bei ihrem Auftritt nahtlos in das ältere Material einfügten. Die ausgebildete Musikerin - Tochter des indischen Sitar-Virtuosen Ravi Shankar - verzauberte mit ihrer hervorragenden Band auch das Publikum in Montreux und überzeugte mit einer zurückhaltend-ernsten Attitüde, die auf jegliche Allüren verzichtet.

»I don’t know how to slow it down« - in vielen Texten behandelt sie die Abkehr von der heute global herrschenden Hektik und in »Broken« stellt sie klar, »He may move slow,
but that don't mean he's going nowhere«. Die junge Frau - seit »Fall« übrigens mit kurzen Haaren - entführt einen in eine melancholische Welt zerbrochener Liebe und tiefer Sehnsucht. Wobei besonders die Larmoyanz besticht, mit der sie die Irrwege der Liebe beschreibt. Wenn sie über eine Brücke zurück nach Manhattan gehen muss, dann tut sie das ohne Bitterkeit und »as if nothing ever happened« und als ob diese Beziehung nie existiert hätte. Und in einem anderen Song betont sie, »I wont’t cry for you«. Wenn sie sich selbst genügen würde, »If I touched myself the way you touched me , If I could hold myself the way you held me«, dann würde sie ihren Partner nicht zurückwollen - so der Titel »I woundn’t need you.« Und findet zur Erkenntnis, »If i wait, it doesn't mean you return«.

Irgendwie konsequent nach all dem Leid preist Frau Jones auf ihrem letzten Album den Mann der Stunde (»Man of the Hour«), den sie gefunden hat:
»It’s him or me’ that’s what he said
But I can’t chose between a vega and a pot head
So I chose you because you’re sweet
And you give me lots of lovin’ and you eat meat ...”
Wen wundert es wirklich, dass sich der hiergefundene Mister Perfect als Hund entpuppt? Dieser hinterhältige Humur begeisterte auch am Genfer See.

Die bittersüßen Texte werden von zauberhaften Melodien getragen, das Elend der Liebe kommt bei Norah Jones immer federleicht daher. Doch gerade das Einfache und Leichte misslingt oft, wie nicht nur die Zubereitung von Soufflé zeigt, deshalb gelingt es bei Jones nur, weil ihre Band in jedem Moment präzise die jeweilige Rolle ausfüllt. Die musikalischen Szenen wechseln vom modernen Clubambiente bis zu einem Solopiano-Auftritt und beweisen, dass Spannung auch in einem ruhigen und langsamen Milieu entsteht. Getragen wird der Abend selbstredend von der umfangreichen und vielfältigen Stimme der Sängerin, sogar wenn sie nur summt zieht sie die Aufmerksamkeit in ihren Bann. Ein rundum gelungener Auftritt, bei dem das Publikum von »Feelin’ the same way« bis hin zu »Sunrise« auf keinen Wunschtitel verzichten musste.

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