Jetzt auch Druck von der Straße
Kundgebung gegen OB Sauerland wegen Loveparade-Katastrophe / Neue Schuldzuweisungen
Berlin (ND/Agenturen). »Feigheit«, »Prestige-Gehabe« und »Profitgier« lauteten die Vorwürfe der mehrere hundert Demonstranten. »Kapitalismus tötet«, war auf einem Plakat zu lesen. In bisweilen aufgeheizter Atmosphäre forderten sie gestern vor dem streng gesicherten Duisburger Rathaus den Rücktritt von Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU). Es gehe nicht nur um das Strafrecht, sondern auch um »moralische Schuld«. Sauerland und Veranstalter Rainer Schaller sollten sich endlich ihrer Verantwortung stellen. Bei einer Massenpanik während des Technofests waren am Samstag 21 Personen gestorben, über 500 wurden verletzt.
Indirekte Unterstützung erhielten die Protestierenden von der nordrhein-westfälischen Landesregierung. Innenminister Ralf Jäger (SPD) sagte dem ZDF-Morgenmagazin, Sauerland wäre gut beraten, die Frage seiner moralischen Verantwortung »sehr schnell zu beantworten«. Auch Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) hatte von Sauerland in der »Rheinischen Post« gefordert, sich der politischen Verantwortung zu stellen.
Jäger sagte, nach den bisherigen Erkenntnissen habe die Stadt Duisburg dem Veranstalter genehmigt, Flucht- und Zulaufwege »sehr viel kleiner, sehr viel enger gestalten zu dürfen, als die gesetzliche Lage eigentlich erlaubt«. Dies gehe aus einer Kopie der Genehmigung für die Veranstaltung hervor, die die Polizei erst kurz davor erhalten habe. Es werde ein Problem der Stadt werden, das zu begründen.
Die Stadt Duisburg lehnte die Verantwortung für die Todesfälle ab. »Der Tunnel gehörte zum öffentlichen Raum außerhalb des Veranstaltungsgeländes. Für die Sicherheit im öffentlichen Raum ist die Polizei zuständig«, sagte Baudezernent Jürgen Dressler, dessen Behörde die Veranstaltung genehmigte, der »Rheinischen Post«. Außerdem hätte die Polizei Fluchtwege blockiert.
Der Deutsche Beamtenbund geht davon aus, dass Mitarbeiter der Duisburger Stadtverwaltung während des Genehmigungsverfahrens »systematisch unter Druck gesetzt« wurden mit dem Ziel, dass sie ihre Sicherheitsbedenken fallen ließen. Die Gewerkschaft sprach von »hochgradigem Fehlverhalten von Vorgesetzten« und forderte personelle, disziplinarische und politische Konsequenzen.
Die Ermittlungen werden nach Einschätzung der Polizei sehr lange dauern. 60 Beamte seien u. a. damit beschäftigt, unzählige im Internet kursierende Bilder, Filme und Berichte zu sichten. »Es sind ja tausende von Informationen auszuwerten, und jeden Tag kommen neue hinzu«, sagte Polizeisprecherin Dorothee Göbel am Donnerstag in Köln.
Oberbürgermeister Sauerland, der seit Tagen nicht in der Öffentlichkeit auftritt, lehnte in der »Bild«-Zeitung erneut einen Rücktritt ab. »Ich habe mein Leben – 21 andere Menschen haben es verloren. Ich will erst wissen, warum. Danach entscheide ich über persönliche Konsequenzen.« Eine Mitschuld an der Katastrophe wies er von sich. Er habe »keine einzige Genehmigung« für die Veranstaltung unterschrieben. Dies sei auch nicht »der Job des Oberbürgermeisters«. Die Abschlussgenehmigung habe »einer unserer besten Kollegen« abgezeichnet. Der »WAZ«-Gruppe sagte Sauerland, er trage jedoch politische Verantwortung, »nicht nur weil ich als einer von 75 Ratsherren dafür gestimmt habe, dass wir als Duisburger die Loveparade wollen«.
Am Samstag findet in der Duisburger Salvatorkirche die offizielle Trauerfeier statt. Das Ereignis soll in die Duisburger MSV-Arena und 20 Stadtkirchen übertragen werden.
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