Schlussstrich unter Italiens Regierungskoalition

Fini und seine Anhänger sollen »Volk der Freiheit« verlassen

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 3 Min.
Bruch in Italiens Regierungskoalition: Premier Berlusconi will sich die Kritik seines ehemaligen Weggefährten Fini nicht länger bieten lassen.

Silvio Berlusconi hat de facto Gianfranco Fini aus der Partei ausgeschlossen. Im Parteirat setzte er einen Antrag durch, mit dem drei Anhänger Finis wegen parteischädigenden Verhaltens vor die Disziplinarkommission berufen werden. Gleichzeitig verabschiedete er ein Dokument, in dem es heißt, Fini sei mit der Partei, dem »Volk der Freiheit«, nicht mehr vereinbar, da er »als Opposition gegen die Regierung, gegen die Partei und gegen den Ministerpräsidenten persönlich« agiere. Deshalb solle er auch als Parlamentspräsident zurücktreten. Schließlich sei er von den Abgeordneten seiner – praktisch ehemaligen – Partei gewählt worden.

Gianfranco Fini gab zurück: »Das ist institutioneller Schwachsinn. Der Vorsitzende vertritt alle Parlamentarier und nicht nur einen Teil.« Womit gleich noch einmal einer der Hauptpunkte des Streits offensichtlich wurde. Für Berlusconi sind die Institutionen und die Verfassung nur Hindernisse und Hemmnisse, die seiner »freien Entfaltung« im Weg stehen, während sich Fini sehr wohl mit den Grundprinzipien einer Demokratie auskennt.

Zeitgleich begannen Finis Leute in beiden Kammern des Parlaments formal mit der Bildung eigener Fraktionen, die sich »Azione Nazionale« (Nationale Aktion) nennen werden. Das gleiche Kürzel AN stand schon für »Alleanza Nazionale«, Finis Partei, die sich vor 16 Monaten mit »Forza Italia« zum »Volk der Freiheit« zusammengeschlossen hatte.

Noch am Mittwochabend hatte Fini ein Friedensangebot Richtung Berlusconi geschickt. »Ich bleibe in der Partei, lasst uns alle Differenzen begraben und gemeinsam für unsere Ziele streiten«, schrieb der Kammerpräsident in einer Note an den Premier. Doch Berlusconi wählt den harten Kurs. Während eines nächtlichen Gipfeltreffens der Parteiführung – Fini und seine Anhänger waren nicht geladen – wurde die Marschrichtung des Cavaliere festgelegt. Klar scheint, dass Fini, der ehemalige Vizefraktionschef im Senat, Italo Bocchino, und die Abgeordneten Carmelo Briguglio und Fabio Granata aus der Partei ausgeschlossen werden.

Der Bruch ist der Schlussstrich unter eine Situation, die sich in den vergangenen Monaten immer weiter zugespitzt hatte. Fini warf Berlusconi vor, ein »Despot« zu sein, dieser konterte mit dem Ruf »Verräter«. Unhaltbar wurde die Lage, als Fini und seine Anhänger den Rücktritt aller »Parteifreunde« forderten, die irgendwie mit der Justiz in Konflikt geraten sind – und im »Volk der Freiheit« sind das viele, angefangen mit Denis Verdini, Koordinator der Partei und wegen Korruption im Visier mehrerer Staatsanwaltschaften.

Wenn der Bruch ein Schlussstrich ist, ist er zugleich auch ein Neuanfang, der allerdings mit vielen Fragezeichen behaftet ist. Anzunehmen ist, dass Fini nicht genügend Abgeordnete und Senatoren hinter sich hat, um die Regierung direkt zu Fall zu bringen. Um ihr große Schwierigkeiten zu machen, reichen sie aber allemal aus. »Wir werden mit dem Wählerauftrag konform gehen«, erklärte der Kammerpräsident, »und alle Maßnahmen unterstützen, die im Regierungsprogramm vorgesehen sind«. Und hinter vorgehaltener Hand: »Jetzt muss Berlusconi mit uns über jedes seiner Vorhaben verhandeln.« Ob die Minister und Staatssekretäre, die Fini nahe stehen, ihre Ämter niederlegen werden oder ob Berlusconi sie gleich aus der Regierung ausschließen wird, ist noch nicht klar.

Die Opposition fordert jetzt, dass der Ministerpräsident die Regierungskrise vor dem Parlament formalisiert. Danach könnten die Karten neu gemischt werden. Möglich wären Neuwahlen oder auch eine Übergangsregierung, die zumindest einige Reformen und vor allem ein neues Wahlgesetz verabschieden könnte. Die Demokratische Partei zumindest hat schon erklärt, dass sie bereit wäre, solch eine Exekutive zu unterstützen.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.