Nur 200 Millionen Euro mehr

Studie spielt Kostenexplosion bei neuen Krebsarzneien herunter

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 2 Min.
Wenn im Rahmen von Gesundheitsreformen die Ausgaben überprüft werden, möchte in der Regel niemand der größte Kostentreiber sein. Entsprechend fällt das Urteil des Berliner Institutes IGES über die von vielen Experten befürchtete Kostenexplosion bei neuen Krebsmedikamenten aus.

Nach der Prognose steigen die Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen für Krebsarzneien von 3,1 Milliarden Euro im Jahr 2009 auf 3,8 Milliarden Euro 2013. Das wären jährliche Zuwächse von etwa 200 Millionen Euro und eine Steigerung von 4,8 Prozent. Der Anteil an den gesamten Arzneimittelausgaben erhöht sich für diese Gruppe von 9,4 auf 9,7 Prozent. Ab 2010 steigende Rabatte seien dabei noch nicht berücksichtigt. Obwohl die Kosten der Behandlung gerade mit neuen Substanzen wie Tyrosinkinase-Hemmern oder monoklonalen Antikörpern pro Fall und Jahr etliche 10 000 Euro ausmachen können, sei die Summe auf Grund geringer Patientenzahlen niedrig, so IGES-Chef Bertram Häussler. Außerdem seien seit dem Jahr 2000 mit drei Neuzulassungen jährlich nur relativ wenig neue Präparate auf den Markt gekommen. Der Europäischen Arzneimittelagentur EMEA zufolge werde das bis 2013 so bleiben.

Häussler räumte ein, dass die Kosten für Krebsmedikamente in der jüngsten Vergangenheit stärker gestiegen seien, 2006 um 16 Prozent. Die Kurve hätte sich aber mittlerweile abgeflacht. Mit dem aktuell häufig zu hörenden Vorwurf, die neuen Krebsmittel hätten zu selten einen zusätzlichen oder nur einen zu geringen Nutzen, habe sich die Studie nicht beschäftigt. Häussler hält eine bald nach Zulassung durchgeführte Nutzenbewertung für »sehr schwierig«. Bei dieser Medikamentengruppe ließe sich ein Zusatznutzen in der Regel erst nach etwa drei Jahren zeigen.

Von weiter steigenden Umsätzen geht das Berliner Institut vor allem bei dem Tyrosinkinase-Hemmer Imatinib (Glivec®) aus. Das Präparat dient der Behandlung einer Form der chronischen Leukämie. Nach Häussler helfe es 80 bis 90 Prozent der Betroffenen und verlängere deren Lebenszeit deutlich. 2009 lag das Mittel mit 208 Millionen Euro an dritter Stelle bei den Industrieumsätzen führender Arzneimittel in Deutschland. Je nach Dosierung entstehen zwischen 38 000 und 59 000 Euro Jahrestherapiekosten – in Deutschland. Das Medikament kostet in Großbritannien knapp 1800 Euro Herstellerabgabepreis, in Deutschland knapp 2700 Euro. Mit 3,94 Milliarden US-Dollar Umsatz war es 2009 zweitwichtigstes Produkt des Schweizer Herstellers Novartis.

Die IGES-Studie entstand mit Unterstützung einer Arbeitsgemeinschaft internationaler, forschender Pharmaunternehmen, als deren Projektkoordinator Hans-Nikolaus Schulze-Solce vorgestellt wurde. Der Apotheker und Arzt war von 1983 bis 2009 mit einer achtjährigen Unterbrechung für verschiedenen Abteilungen von Lilly Pharma in Deutschland und Japan tätig. In den letzten Jahren nahm er im Auftrag des Unternehmens mehrfach an Veranstaltungen zur Zukunft der Onkologie teil. Das IGES selbst ist mit zwei Tochtergesellschaften in der klinischen Forschung sowie in der Krankenhausberatung aktiv.

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